piwik no script img

Stille Post

■ Geflüster aus Kultur & Gesellschaft

Von der Großen Kunstschau zu Germanentum und Moorleichen im Roselius-Haus. Wer staunend Hoetgers expressionistisch gewölbte Rotunde im Worpswedes Vorzeigemuseum hinter sich gebracht hat, bekommt anschließend Museales kleinkariert serviert. Im Roselius-Haus für Vor- und Frühgeschichte wellen sich schon die lieblos angetackerten Papp-Transparente, hochkopiertes Fotomaterial stammt aus „P.M.“, Peter Moosleitners selbsternanntem „interessanten Magazin“. Deshalb, so die Hinweistafeln, wird die Schau derzeit von der Uni Hamburg zum „Erlebnismuseum“ umgestaltet. Edutainment in Worpswede. Rilke hätte unter stillem Protest die Koffer gepackt.

t

Memphis, wie haste Dir verändert! Nun sind wir ja allerhand gewohnt, was dreifach gebrochene Dominant-Sept-Akkorde und andere postmoderne Brechungen (würg) des alten Blues-Schemas angeht. Aber Tav Falco übertrifft dies alles locker. Was beim Konzert im Lagerhaus zu beweisen war. Weit eilte dem Meister der Ruf des genialen Dilettanten voraus, der keinen Bluesklassiker ungeschoren davonkommen läßt. Und so kam's denn auch. Polterndes Buschgetrommel, linkisches Gitarrengedaddel, dazu das Gegreine von Tav Falco selbst, der zudem in einem schäbigen Glitter-Sakko der Sonderklasse über die Bühne schlawienierte wie Dean Martin selig im Halbrausch – eine einfach alles niederschmetternde Erscheinung. Lag's etwa an dieser vor Irrsinn knisternden Atmosphäre, daß sich die mehrfach angekündigten „Tango-Dancers“ partout nicht zeigen wollten?

t

Was? Wie? Wo sind wir? „Internet“ ... „Telegraphie“ ... „mediale Evolution“ – aha: eine Diskussion im Schlachthof, der neuerdings ja Kompetenz in Sachen „elektronische Medien“ verströmt. Da kann man schließlich gar nicht genug wissen. Dachte sich der Medienexperte Dr. Hermann Rotermund und spann in seinem Eingangsreferat flott einen Bogen „Von der Keilschrift bis zum Internet“, um schließlich noch ein paar launige Bemerkungen über „Das Verschwinden der Subjekte im Speicher“ zu machen. Uff! Haben wir auch nichts vergessen? Keine clevere Anekodote, keinen klugen Namen? Lacan, Freud, Howard Rheingold? Aha: Der Herr da hinten im Publikum, der noch nicht vollends überwältigt ist von Doktor Allwissend, der hat noch eine Frage. Jetzt was Schlaues! Was die Mediendebatte voranbringt, im Schlachthof und umzu! Nämlich: „Was ist eigentlich mit den Rauchzeichen der Indianer?“ Tjaaaa ... manchmal ist das Publikum eben doch noch schlechter als das Stück. taz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen