■ Stiftungsinitiative für Zwangsarbeiter vor der Selbstauflösung?: Angst & Sorge GmbH
Am Kindbett der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ standen zwei Patinnen: die Sorge und die Angst. Angst vor Boykottmaßnahmen in den USA gegen dort tätige deutsche Firmen, die im Zweiten Weltkrieg Zwangsarbeiter einsetzten. Sorge, dass die soeben geborene Initiative die teilnehmenden Firmen nicht vor zusätzlichen Klagen schützen werde. Angst & Sorge überschatteten von Anfang an die beiden proklamierten Motive: sich der Verantwortung stellen, ein humanitäres Zeichen setzen. Jetzt drohen beide Motive vollends zu verschwinden.
Wolfgang Gibowski, der Sprecher der Initiative, und Otto Graf Lambsdorff, der Verhandlungsführer der deutschen Seite, haben in den letzten Tagen die mögliche Selbstauflösung der Stiftung an die Wand gemalt. Die Warnung ist eine Drohung. Löste die Stiftung sich auf, so würden sich die in den USA tätigen Firmen auf eine individuelle Entschädigung der bei ihnen ehemals beschäftigten Zwangsarbeiter zurückziehen.Der Rest der Zwangsarbeiter, die überwältigende Mehrheit, würde aber leer ausgehen.
Jetzt rächt es sich, dass sich die Bundesregierung so rückhaltlos zu Anwälten von Angst & Sorge der deutschen Unternehmer machen ließ. Dadurch verspielte sie die Möglichkeit, die kollektive historische Verantwortung der deutschen Unternehmer einzufordern und dadurch die Basis der Stiftungsinitiative zu erweitern.Jetzt rächt sich auch, dass nicht von vornherein auf ein gemeinsames Stiftungsmodell zwischen Staat und Unternehmern zugesteuert wurde. Dann hätte die Regierung durch die rechtzeitige Festlegung eines Bundesanteils die Unternehmerschaft unter Druck setzen können. Die Drohung der Selbstauflösung ist auch ein Resultat Schröderscher Politik. „Zeichen setzen“? – das funktioniert nur bei Holzmann. Da geht es schließlich nicht um die ehemaligen Arbeitsplätze der ausländischen Zwangarbeiter sondern um die gegenwärtigen der deutschen.
Christian Semler
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