Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung": Merkels Eiertanz um Erika Steinbach
Der Streit über die Nominierung Erika Steinbachs fürs Kuratorium der Vertriebenen-Stiftung tobt weiter. Dabei gibt es gute Gründe, Steinbachs Mitgliedschaft im Kuratorium abzulehnen.
"Sichtbares Zeichen" - das ist die Kurzformel für die Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung", die vor einem Jahr per Gesetz als Teil des Deutschen Historischen Museums (DHM) beschlossen wurde. Der Rahmen steht, Berlin wurde als Ort einer permanenten Ausstellung bestimmt, die Finanzierung ist gesichert. Sonst aber hat sich nichts getan, obwohl 2011 der Stapellauf des Projekts erfolgen soll. Stattdessen ist in den vergangenen Wochen ein Streit in der Koalition aufgeflammt, der sich um die künftige Position der Vorsitzenden des Bundes der Vertriebenen (BdV), Erika Steinbach, im "Sichtbaren Zeichen" dreht. Soll sie, darf sie Mitglied im Kuratorium der künftigen Stiftung werden?
Ursprünglich hatte der BdV unter der Federführung Erika Steinbachs ein "Zentrum gegen Vertreibungen" initiiert, eine erste Ausstellung mit dem Titel "Erzwungene Wege" veranstaltet und die Unterstützung des Bundes eingefordert. Gegen die Initiative Steinbachs und die Ausstellung selbst erhob sich Widerspruch. Es wurde geltend gemacht, dass Flucht und Vertreibung der Deutschen aus den ehemaligen Ostgebieten nur im Rahmen ihrer Vorgeschichte, insbesondere der des Nazi-Regimes, verständlich gemacht werden könnten. Dem BdV wurde vorgeworfen, die Vertreibung auf eine Stufe mit dem Mord an den Juden stellen zu wollen. Die von Steinbach propagierte "Europäisierung" der Vertreibungsgeschichte bringe disparate Sachverhalte zusammen und verdunkle nur die deutschen Ursachen der Vertreibungen.
Vor allem die damalige Oppositionsführerin Angela Merkel (CDU) stellte sich hinter das Projekt des BdV. Gegeninitiativen, wie die eines europäischen Netzwerks, blieben ohne Wirkung. Die Situation änderte sich, als das Bonner "Haus der Geschichte" die Ausstellung "Flucht, Vertreibung, Integration" präsentierte. Die Ausstellungsmacher konzentrierten sich auf die deutsche Geschichte, arbeiteten den Zusammenhang zwischen Ursache (die nazistische Eroberung) und Folge (die Vertreibungen) heraus. Die trotz großer Entbehrungen und Anfeindungen erfolgreiche Integration der Millionen Flüchtlinge und Vertriebenen bildeten das Happy-End der Ausstellung - weshalb sich aus ihr schwerlich eine fortdauernde Anklage gegen die Vertreiberstaaten ableiten ließ. Die Ausstellung existiert nicht mehr, aber ihre Konzeption diente als Grundlage für das "sichtbare Zeichen", das schließlich im SPD/CDU Koalitionsvertrag beschlossen wurde. Obwohl viele der Kritiker bei ihrer grundlegenden Ablehnung eines separaten Vertriebenen-Projekts blieben, fand die Bonner Ausstellung Anerkennung auch in der kritischen Öffentlichkeit.
Als Hindernis für die zügige Verwirklichung des "Sichtbaren Zeichens" erwies sich die Rolle des BdV und dessen Vorsitzender Steinbach. An ihr vor allem machte sich der Protest fest, der von polnischer Seite an ihrer möglichen Mitgliedschaft im Kuratorium des "Sichtbaren Zeichens" erhoben wurde. Das Porträt Erika Steinbachs in der polnischen Öffentlichkeit trug oft hysterische Züge. Unter der nationalkonservativen Regierung Kaczynski wurde ein strikter Konfrontationskurs gegen jedes Erinnerungsprojekt zur Vertreibung gefahren. Der zentrale Vorwurf lautete, die Deutschen wollten ihre Geschichte umschreiben und sich von Tätern zu Opfern stilisieren. Darin kam der Versuch zum Ausdruck, die Reinheit der polnischen Nation als Opfer zu bewahren, obwohl diese Opferrolle in Polen längst kritisch hinterfragt wurde.
Dennoch gibt es Gründe, Steinbachs Mitgliedschaft in dem Kuratorium abzulehnen - und dies nicht nur mit Rücksicht auf Polen. Trotz vielfacher Bekenntnisse zur Aussöhnung gießt sie Öl ins Feuer. Erst in diesen Tagen erklärte sie: "Wir haben uns mit den Untaten unseres Landes beschäftigt. Das fehlt noch bei unseren Nachbarn." Womit sie die nazistischen Verbrechen mit der Vertreibung der Deutschen gleichsetzte.
Es gibt Indizien dafür, dass Angela Merkel ihren polnischen Gesprächspartnern die Zusage gab, Steinbach vom Kuratorium der Stiftung fernzuhalten. Nur so kann der gestrige Dank des polnischen Außenministers für Merkels "Sensibilität gegenüber den polnischen Forderungen" verstanden werden. Gleichzeitig aber weigert sich die Kanzlerin, die praktischen Konsequenzen zu ziehen, was sie in Konfrontation mit dem rechten Flügel der Vertriebenen bringen und zum Verlust von Wählerstimmen führen würde. Angela Merkel hat sich in ein Dilemma manövriert. Den Schaden trägt nicht nur sie davon, sondern auch die polnisch-deutschen Beziehungen.
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