■ Stichwort Wohnen: Zuschläge zur Beschaffenheit prüfen
Im Ostteil der Stadt und den neuen Ländern konnten zum 1. Januar 1993 weitere Mietsteigerungen vorgenommen werden. Bestandteil dieser Zweiten Grundmietenverordnung ist einerseits ein Sockelbetrag von 1,20 DM/qm monatlich, von dem bis zu 0,45 DM/qm zum Beispiel für Wohnungen mit Außen-WC abzuziehen sind.
Darüber hinaus können ab 1. Januar 1993 sogenannte Beschaffenheitszuschläge für Dach, Fenster und Außenwände erhoben werden, wenn nicht erhebliche Schäden an diesen Gebäudeteilen vorliegen. Massenhafter Streit war bei dieser Regelung zu erwarten.
Anfang Februar waren bereits mehr als 30.000 Protestbriefe von Mietern gegen die Erhebung dieser Zuschläge bei den Wohnungsbaugesellschaften eingegangen.
Der Vermieter darf einen Beschaffenheitszuschlag von jeweils 0,30 DM/qm je Gebäudeteil (Fenster, Dach,Außenwände), also maximal 0,90 DM/qm monatlich erheben. Liegen jedoch erhebliche Schäden an einem dieser Gebäudeteile vor, so verringert sich die Erhöhungsmöglichkeit um diesen Zuschlag.
In vielen Wohnungen bleibt es daher bei dem oben genannten Sockelbetrag. Denn selbst die Senatsbauverwaltung geht davon aus, daß die Gebäude von ungefähr 300.000 Wohnungen über erhebliche Schäden verfügen. Hat der Mieter ein Mieterhöhungsverlangen des Vermieters mit den Beschaffenheitszuschlägen erhalten, so sollte er prüfen, ob nicht erhebliche Schäden die Mieterhöhung ausschließen.
Anhaltspunkte wären beim Dach beispielsweise kein ausreichender Schutz vor Nässe, undichte Dachrinnen oder anderes bei den Fenstern morsche Rahmenteile, Wind- und Feuchtedurchlässigkeit, bei den Außenwänden breite Risse und fehlender Putz mit Feuchtigkeitsschäden etc.
Die Zuschläge nicht zahlen
Der Mieterverein bietet die Begutachtung derartiger Schäden im Rahmen seiner Dienstleistungen für Mitglieder an. Auch wenn schon die ersten Monate des Jahres die erhöhte Miete gezahlt wurde, kann doch auch jetzt noch eine Überprüfung vorgenommen werden.
Sollte die Begutachtung durch den Mieterverein ergeben, daß erhebliche Schäden vorliegen, so empfiehlt sich, die Zuschläge nicht zu zahlen. Die entsprechend eingesparten Beträge sollten aber beiseite gelegt werden, falls eine gerichtliche Auseinandersetzung folgen sollte und der Mieter darin doch zur Zahlung verpflichtet wird.
Zunächst aber ist der Vermieter in der Pflicht. Ihm obliegt aufgrund der Verordnung die Beweislast, daß das Gebäude an den betreffenden Teilen ohne erhebliche Schäden ist.
Die Praxis ist anders
Die Praxis ist leider anders. Die Vermieter, allen voran die städtischen Wohnungsbaugesellschaften, fordern die Mieter auf, die Zuschläge zu zahlen, ohne daß Belege für die Schadensfreiheit beigebracht werden.
Eine Zahlung unter Vorbehalt bringt wenig Sinn, weil die Vermieter keinesfalls von sich aus zur Klärung beitragen werden, sie erhalten ja die Miete. Für diesen Fall müßte der Mieter Klage erheben, um an sein Geld heranzukommen.
Die Vermittlung von Gutachtern über die Beschaffenheit des Hauses erfolgt in den bezirklichen Beratungsstellen des Berliner Mietervereins.
Reiner Wild,
Berliner Mieterverein e.V.
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