Steuersünder im Gefängnis: "Viele Menschen haben keine Moral"
Ein Architekt hat knapp 90.000 Euro Steuern hinterzogen und sitzt nun in Kiel im Gefängnis. Er bereue nichts, sagt er. Per Steuer-CD entdeckt zu werden, habe ihn nicht abgeschreckt.
taz: Herr Friedrich, seit wann sind Sie im Gefängnis?
Kai Friedrich: Im Januar 2009 hat mich die Polizei wegen Steuerhinterziehung und Betrug in Norddeutschland in einer Ferienwohnung festgenommen. Meine Ex-Frau hatte mich fünf Tage zuvor telefonisch gewarnt, dass ich meine Koffer packen und verschwinden sollte.
Warum haben Sie ihren Ratschlag nicht befolgt?
Kai Friedrich (Name geändert) ist 53 Jahre alt und selbstständiger Architekt. 2003 und 2004 hat er keine Einkommens- und Umsatzsteuererklärungen für sein Unternehmen gezahlt. Der Fiskus warf daraufhin Steuerhinterziehung in Höhe von zunächst 87000 Euro, später 36000 Euro vor. Anfang 2009 wurde er festgenommen. Seither sitzt er in der Justizvollzugsanstalt in Kiel.
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich keinen Grund dazu gesehen.
Was wird Ihnen vorgeworfen?
Ich besitze ein Architekturbüro und hatte für die Jahre 2003 und 2004 keine Einkommens- und Umsatzsteuererklärungen abgegeben. Mir wurde zunächst vorgeworfen, rund 87.000 Euro hinterzogen zu haben. Der Betrag wurde dann auf etwa 36.000 Euro reduziert. Im Februar 2007 hatte ich eine größere Summe an das Finanzamt in Frankfurt anweisen lassen. Geld habe ich im Ausland aber keins versteckt.
Ist Steuerhinterziehung ein Kavaliersdelikt?
Eine schwierige Frage. Ich glaube, dass die Ethik und Moral in den westlichen Staaten in Politik und Gesellschaft immer mehr verfällt. Man denke nur an die Parteispendenskandale oder Freiflüge und Dienstwagenaffären durch Politiker. Solche Ereignisse trugen nachhaltig dazu bei, die eigene fehlende Moral zu legitimieren. Vielen Menschen fehlt es an Moral und Unrechtsbewusstsein.
Worin sehen Sie die eigentliche Ursache der Steuerhinterziehung?
Sie liegt in der Gier. Steuerhinterziehung lohnt sich allerdings nur im großen Stil und in einem kurzen Zeitraum. Außerdem sollte man keine großen Bindungen zu seiner Heimat haben.
Waren Sie sich denn den Konsequenzen Ihres Vergehens bewusst?
Möglicher Folgen war ich mir durchaus bewusst. Aber wie eine Bekannte zu mir sagte: Architekten sind oft geniale Schöpfer, aber genauso oft miserable Kaufleute.
Mittlerweile haben sich etwa 18.000 Steuersünder selbst angezeigt. Hätten Sie das auch gemacht, wenn die Steuer-CD schon früher aufgetaucht wäre?
Nein ich hätte mich nicht selbst angezeigt, denn mein Name war und wird auch nicht auf Datenträgern im Zusammenhang mit Kapitalanlagen aus Steuerhinterziehung enthalten sein.
Würden Sie Ihr Vergehen gerne rückgängig machen?
Nein. Ich bin mir keiner Schuld eines vorsätzlichen Vergehens bewusst. Steuerliche Angelegenheiten werde ich aber künftig qualifizierten Beratern überlassen. Schließlich baue ich gerne.
Was halten Sie davon, dass die Bundesregierung die CD mit Daten von Steuersündern gekauft hat?
Die Bundesregierung hat durch den Kauf der Steuer-CD nachträglich eine Straftat legitimiert, nämlich den Diebstahl und Missbrauch von Daten. Damit wird sie nicht als Hehler und somit nicht als Täter sanktioniert. Der Schweizer Philosoph Walther Zimmerli meinte, dass die Regierung nach Maßstäben der Gesinnungspolitik nichts Unrechtes getan habe. Doch ehrlich gesagt, wirken die fehlenden Steuerbeträge im Vergleich zu den seit etwa 1968 angehäuften Staatsschulden wie ein winziger Tropfen. Wer sich als Steuersünder nicht in Sachwerten engagiert hat, wird fallweise auch seine vorenthaltenen Steuermillionen los sein.
Glauben Sie, dass die CD die Menschen vor weiteren Delikten abschreckt?
Nein. Der Mensch ist nun einmal von Gier getrieben und wird auch weiterhin die Möglichkeiten zur Steuerhinterziehung nutzen, wenn sich ihm die Gelegenheit dazu bietet. Menschliches Denken kann oft sehr kurzzeitig sein, ohne die langfristigen Folgen begreifen zu wollen. Fast alle Straftaten werden in dem Glauben begangen, nicht erwischt zu werden. Da schrecken auch die Längen von Strafen kaum ab. Ein Bankräuber etwa überfällt eine Bank, weil er glaubt, dass ihm die Flucht gelingt.
Was könnte die Regierung daran ändern?
Mit gutem Beispiel voran gehen, würde sicherlich helfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Desaströse Lage in der Ukraine
Kyjiws Wunschzettel bleibt im dritten Kriegswinter unerfüllt
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt