Steuergelder: Die teure Erregung des Klaus Wowereit

Der Regierende Bürgermeister geht per Anwalt gegen einen Kritiker vor. Das kostet fast 2.000 Euro. Opposition sieht Steuergeld verschwendet.

Im Juli hatte Stefan Dudzus plötzlich Post vom Regierenden Bürgermeister im Briefkasten. Genau genommen von Klaus Wowereits Anwalt. Denn Dudzus hatte Wowereit und dessen SPD im Internet beschimpft. Dudzus ist ein Freund klarer Worte und ein Gegner linker Politik. Er engagierte sich etwa für den Flughafen Tempelhof. Er hängt auch der Verschwörungstheorie an, dass die Linkspartei gezielt eine schlechte Politik macht, um "über die Destabilisierung des bestehenden Systems das Klima für einen radikalen gesellschaftlichen Wandel herzustellen". Auf einer Webseite sammelt er daher Unterschriften für die Neuwahl des Abgeordnetenhauses. Sein Ziel: Wowereit muss weg.

Bei jedem Politiker in hoher Verantwortung gibt es Leute wie Dudzus, die polemisch kritisieren. Viele Politiker entschließen sich, das zu ignorieren. Das wäre auch hier möglich gewesen - zumal Wowereit das Neuwahl-Volksbegehren nicht zu fürchten braucht. Denn dafür braucht es 50.000 Unterschriften in der ersten Stufe und rund 500.000 Unterschriften in der zweiten Stufe. Es ist undenkbar, dass Dudzus das schafft.

Wowereit könnte sich also zurücklehnen. Er beauftragte jedoch den Rechtsanwalt Christian Schertz von der Kanzlei Schertz Bergmann, einen der profiliertesten Medienrechtsanwälte der Republik. Über seinen Anwalt monierte Wowereit zwei Stellen auf der Webseite. Dudzus hatte geschrieben: "Die Berliner SPD ist machtkorrupt", da es das oberste Ziel von Wowereit sei, zusammen mit seinen Genossen im Amt zu bleiben. Um dieses Vorteils willen verletze der Regierende auch seine Pflichten. Außerdem würden sich "unsere Politiker" Nebentätigkeiten anhäufen, was bereits Staatsanwälte auf den Plan gerufen habe.

Wowereits Sprecher Richard Meng sagt, "das wollten wir so nicht stehen lassen, sondern ein klares Zeichen setzen, dass hier eine Grenze überschritten wurde". Wowereit werde "diffamiert", heißt es in dem Schreiben an Dudzus, außerdem habe er Fakten falsch dargestellt. Dudzus soll unterschreiben, dass er die beiden monierten Aussagen löscht und in Zukunft bei Androhung einer Vertragsstrafe nicht mehr wiederholt.

Doch Dudzus unterschrieb nicht. "Das fällt doch unter die freie Meinungsäußerung", glaubt er. Damit die Passagen gelöscht werden, hätte Wowereit nun vor Gericht klagen müssen. Doch das ließ er bleiben. "Wir wollen nicht den Prozesshansel geben", sagt sein Sprecher Meng.

Die Webseite von Dudzus ist also bis heute unverändert. Nur der Landeshaushalt ist etwas leerer, denn für Wowereits Anwalt zahlt das Land Berlin. Inzwischen hat die Senatskanzlei auf taz-Anfrage auch erstmals veröffentlicht, wie viel: 1.922,56 Euro.

"Hier wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen, und dafür soll auch noch der Steuerzahler aufkommen", kritisiert Björn Jotzo, haushaltspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. Er fragt sich: "Ist unsere Senatskanzlei nicht in der Lage, bei einer solchen Lappalie die Sache ohne Einschalten eines Anwalts selber zu regeln?" Ein einfacher Brief hätte es auch getan. Die Äußerungen von Dudzus seien zwar tatsächlich "grenzwertig", findet Jotzo. Dennoch: "Ich hätte das anders gelöst."

Auch Jochen Esser, finanzpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, findet, dass hier Steuergeld verschwendet wurde. "Dazu ist das ja auch alles nicht wichtig genug", sagt er. So was müsse man "entweder ignorieren oder sich politisch dazu äußern, aber das muss ja nicht auch noch Geld kosten". Er fragt sich: "Haben die in der Senatskanzlei sonst nichts zu tun, als irgendwelche Webseiten zu beobachten?"

Franz Schulz (Grüne), Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, hatte sich in einem anderen Fall dagegen für ein Mittelweg entschieden. Gegen verschiedene Behauptungen der SPD in deren Mediaspree-Wahlkampfzeitung schickte er zwar per Anwalt eine Abmahnung - aber er zahlte die Kosten selbst statt aus Steuergeldern.

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