Stern-TV-Premiere für Steffen Hallaschka: Tränendrüsen mit Krawatte
Mit Steffen Hallaschka statt Günther Jauch hat Stern TV einen neuen Moderator. Damit ist das Fernsehformat deutlich weniger bildungsbürgeronkelig geworden.
Na, das war aber auch höchste Eisenbahn: Steffen Hallaschka als Moderator einer Sendung, die tatsächlich von ein paar Millionen Menschen geguckt wird. Dass der lange Wahlberliner mit dem seriös-entspannten Timbre seit Mittwoch allwöchentlich durch das von Günther Jauch zum mediokren Quotenhit hochgeplauderte Stern TV-Format führen wird, ist vielleicht nicht unbedingt das, was RTL mal "Traumhochzeit" genannt hätte.
Denn auch Hallaschka wird die beizeiten klumpige Stern TV-Mischung aus mitleid- und quotenerregenden Skandalen und viel zu flach abgehandelten Aktualitätsaufregern nicht ganz so schnell suffizient glattrühren und mit Niveau andicken können, dafür zoomten die Kameras der Einspielfilmchen noch viel zu oft auf die Tränen der ProtagonistInnen.
Die erste Sendung nach dem Wechsel Jauchs ins ernste Fach bestand, schließlich will man den durchschnittlich 3 Millionen ZuschauerInnen, die auch diesmal erreicht wurden, nicht zuviel zumuten, folgerichtig aus der alten Idee von emotionalen Achterbahnen mit Kindern und Tieren, hier perfiderweise gleich in ein und demselben Thema: Kampfhund beißt Kind, was tun, Sachsen-Anhalts Innenminister Herr Hövelmann?
In 12 Minuten kann man bei einem solch urdeutschen Eklat nicht wirklich alle Ecken beleuchten, und so blitzte in dieser Diskussion noch eher wenig von Herrn Hallaschkas Gesprächsspirit auf.
Aber wenn man die unsinnig kurz durchgehechelten Themen Spielsucht/Fußballwettskandal, Kampfhunde und illegale Webcamspannerei durchhielt, erlebte man den radio- und fernseherfahrenen 39jährigen, der – unter anderem - für die Moderation des innovativen WDR-Formats "Kanzlerbungalow" 2004 für den Grimmepreis nominiert wurde, im NDR Verbrauchermagazine und ab und an die Talkshow präsentiert, und vor 12 Jahren mal eine Pro 7-Morgensendung besser machen konnte, als mindestens so schlagfertig und aufmerksam wie Jauch, dafür aber zu 100 Prozent weniger bildungsbürgeronkelig.
Beim Gespräch mit dem frechen CDU-Zweibettzimmermann Jens Spahn, der in den Mehrbettzimmern (und nicht etwa in unzureichendem Personal und Mitteln) das größte Problem der Krankenhäuser sieht, und dem Antagonisten der Deutschen Krankenhausgesellschaft kam endlich ein bisschen brandaktueller Zug in die Bude: Wenn ein Gespräch spannend werden soll, machen sich unterschiedliche Standpunkte eben immer gut, sogar wenn sie vorhersehbar sind und von medienerfahrenen PolitikerInnen stammen.
Und auch das letzte Thema, die hübsche Idee des Vorsitzenden der Monopolkommission Justus Haucap, aus seinen Recherchen zu überflüssigen Bundesbehörden wie der "Monopolverwaltung für Brandwein" ein so unterhaltsames wie investigatives Buch zu machen, guckt man sich gern an.
Selbstredend werden aber einige RTL-ZuschauerInnen beim Gucken Anpassungsprobleme haben: Günther Jauch war schließlich 21 Jahre dabei, und hat seinen bewährten Stil aus Empathie und Strebertum auch erst zögerlich entwickelt. Und dass Steffen Hallaschka es bei Bedarf faustdick hinter den Ohren haben kann, sieht man ihm nicht auf den ersten Blick an.
Doch wenn Sender und Produzenten mutig sind, und nicht nur wieder mit dem zuweilen schlichtweg konservativen "Never change a winning team" argumentieren, könnte der Personalwechsel bei Stern TV eine Chance sein, wieder beim stark ausgedünnten, zumindest etwas jüngeren Publikum zu grasen, das Tränendrüsige zugunsten von Fakten und Streitgesprächen zurückzufahren, und trotzdem die nicht zu verlieren, deren Hauptnot die Frage ist, ob der Moderator denn nun Krawatte tragen sollte oder nicht.
Zu diesem wichtigen Thema gab es bis zum Ende von Hallaschkas Premierensendung bereits ein paar ZuschauerInnenkommentare. Er nahm's natürlich mit Humor. Bei soviel Publikum ist eben immer jemand dabei, dem der Schlips nicht passt.
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