Stephanie Grimm hört auf den Sound der Stadt:
Endlich Sonne. Wer befürchtet, vor lauter guter Laune im Park dem Raveringelpietz zu erliegen, kann sich von der Wiener Band Kreiskyin der Kantine am Berghain (Am Wriezener Bhf, 21 Uhr, 11 Euro)auf Skepsis einnorden lassen, gleich am Donnerstag, wo die Exzesse des „Herrentags“ erfahrungsgemäß genug Gründe für Misanthropie liefern.
Nicht nur die Literatur, sondern auch der Pop aus dem Alpenland ist für scharfzüngigen Selbst- und Fremdhass bekannt. Schon seit zwölf Jahren liefert die nach dem einstigen Bundeskanzler benannte Combo mit ihrer schwarzhumorigen Grantelei eine Blaupause für den aktuellen Ösi-Pop-Boom. Nach einer Pause von der Musik, in der sie mit Sibylle Berg ein Theaterstück inszenierten, veröffentlichten sie mit „Blitz“ ein Album, das die „Energie der ersten Idee“ feiert – ein schöner Echoraum für die Comeback-Single „Veteranen der vertanen Chance“.
Eine Veteranin ist auch die wunderbare Stella Chiweshe. Die 71-jährige Dame aus Simbabwe lebt teils in Berlin, teils in ihrer Heimat, wo sie schon in den achtziger Jahren in einer männerdominierten Musikwelt durch ihre Fingerfertigkeit im Umgang mit der zeremoniell genutzten Mbira, einer Art Lamellophon, berühmt wurde. Auf dem letzten Torstraßen-Festival animierte die charmante Chiweshe das Publikum dazu, mit einem Chor aus Vogelstimmen ihren Sound zu komplementieren. Mal sehen, was ihr am Freitag im Lido (18 Uhr, Cuvrystr. 7, 17,60 Euro) einfällt.
Überhaupt ist das Xjazz-Festival, das den Rahmen für ihren Auftritt liefert, eine tolle Sache, bei der man kaum danebengreifen kann. Eine schöne Anschlussoption gibt es mit dem Jono McCleery Trio im Bi Nuu (U-Bhf Schlesisches Tor, 17,60 Euro). Der Post-Dubstep-Songwriter hat eine wunderbare, an Vater und Sohn Buckley erinnernde Stimme und ein Herz für unterschiedlichste Musik. Unlängst erschien von ihm ein Cover-Album, mit dem er unter anderem Paul Weller, Billy Holiday und Scott Walker Tribut zollt. Einen vermutlich ganz anderen Tribut gibt dann am Sonntag auch der ehemalige Nick-Cave-Mitstreiter Mick Harvey, der in der Volksbühne (20 Uhr, 26 Euro) mit diversen Gästen Serge Gainsbourgh interpretieren wird.
Wem nach so viel Wohlklang nach erhabenem Heavy Listening ist, der kann am Dienstag im Urban Spree im Drone-Metal-Sound von Wrekmeister Harmonies (20 Uhr, 12 Euro)baden. Die ließen sich zum Vorgängeralbum von tiefen Abgründen anregen: den Auschwitz Aufzeichnungen Primo Levis. Da nimmt sich das aktuelle „The Alone Rush“ geradezu harmlos aus. Hier geht es um das Sterben im Familienkreis.
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