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Stellenabbau vor Buchregalen

■  Buchhandelskette Kiepert kündigt Sparmaßnahmen an. Auch andere Händler leiden unter der zunehmenden Konkurrenz. Bei wachsender Verkaufsfläche sinken die Umsätze

Zwar sprudelt das Wasser im Springbrunnen, dennoch ist der Ernst-Reuter-Platz so öde, daß der Sohn des Namensgebers schon mal gefordert hatte, den Platz umzubenennen. Noch trostloser könnte der Platz demnächst werden – zumindest für einige Beschäftigte der dort ansässigen Kiepert-Hauptfiliale. Nach Informationen der taz sollen bis zu 30 Mitarbeiter der Traditionsbuchhandlung ihren Arbeitsplatz verlieren. Diese Zahl wollte Seniorchef Robert Kiepert gestern jedoch nicht bestätigen, man befinde sich noch in der Planung. Derzeit beschäftigt Kiepert rund 200 Mitarbeiter.

Bereits am 25. Juni hatte die Geschäftsführung in einem Brief an die Mitarbeiter „die Umsetzung rigoroser Sparmaßnahmen zur Verbesserung der Ertragslage“ angekündigt. Zur Begründung heißt es in dem Schreiben, das der taz vorliegt, das gesamte Haus müsse sich der veränderten Marktsituation anpassen. Die Situation: starke Umsatzrückgänge und eine angespannte Liquidität. Kiepert führt dies auf die schwache Konjunktur und einen verschärften Wettbewerb zurück.

In einem zweiten Schreiben an die Belegschaft wurde Kiepert deutlicher: „Da die Personalkosten eine wichtige Kostengröße darstellen, werden Einsparungen in diesem Bereich unvermeidbar sein.“ Verschiedene Betriebsvereinbarungen wurden deswegen bereits gekündigt – darunter die Betriebserfahrungszulage, eine sogenannte Treuezulage und weitere Sozialleistungen. „Zusätzlich werden wir die Anzahl unserer Mitarbeiter verringern müssen“, heißt es in dem Schreiben.

Die Krise bei Kiepert ist kein Einzelfall. Vor allem kleine und mittlere Buchhandelsfirmen leiden unter der Konkurrenz der Buch- und Kulturkaufhäuser wie Dussmann oder Hugendubel. Hatte der Verband der Verlage und Buchhandlungen Berlin-Brandenburg 1997 noch 325 Mitgliedsgeschäfte, so waren es zu Beginn dieses Jahres schon vier weniger. Ein Problem sei dabei die „extreme Ausweitung der Verkaufsfläche, vor allem bei den Großen“, sagt Verbandsgeschäftsführer Detlef Bluhm. 1997 wurden in Berlin erst auf 50.000 Quadratmeter Ladenfläche Bücher verkauft. Schon ein Jahr später waren es 10.000 Quadratmeter mehr.

Gleichzeitig sinken die Umsätze. Zur Zeit befragt der Buchhändler-Verband seine Mitgliedsunternehmen über deren wirtschaftliche Situation. Tendenz: eine „Umsatzkurve im Minusbereich“, so Bluhm. Die „schwierige Lage der Buchhändler“ führt Bluhm auf verschiedene Ursachen zurück. Die lahme Binnenkonjunktur gehöre ebenso dazu wie das Wegbleiben institutioneller Kunden. Der Sparzwang der öffentlichen Hand in Berlin – Bibliotheken und andere Institutionen sind die wichtigsten Kunden des Buchhandels – führe zu „erheblichen Umsatzeinbußen“, erläutert Bluhm. Bemerkbar mache sich darüber hinaus, daß insbesondere einkommensstärkere Berliner – die traditionelle Klientel des Buchhandels – die Stadt verlassen. Kritisch sieht Bluhm auch die längeren Ladenöffnungszeiten. Damit werde der Umsatz von den Kiezen in die Zentren abgezogen. Eine weitere Flexibilisierung der Verkaufszeiten nütze daher „höchstens zwei Prozent unserer Mitgliedsunternehmen“. Deshalb sieht Bluhm die Bundesratsinitiative des Senats, mit der das Ladenschlußgesetz weiter gelockert werden soll, „nicht mit großer Freude“. Allerdings ändere sich auch das Einkaufsverhalten der Bevölkerung. Die großen Malls wie zum Beispiel die Schönhauser Arkaden würden immer attraktiver. Dort gibt es auch eine Kiepert-Filiale – genützt hat das offenbar wenig. Richard Rother

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