Steinmeier trifft Amtskollege Lawrow: Keine Waffenruhe für Aleppo
In Sachen Ukraine ist der deutsche Außenminister nach dem Treffen mit seinem russischen Kollegen optimistisch. Doch beim Thema Syrien bleibt Lawrow hart.
Lawrow verwies auf bisherige Initiativen der syrischen und russischen Streitkräfte: Vier Fluchtkorridore für die Bevölkerung aus der bedrängten Stadt sowie täglich dreistündige Feuerpausen. Bei jeder humanitären Aktion müsse sichergestellt werden, dass Hilfsgüter nicht in die Hände von Terroristen fielen, sagte er.
Dem Nahost-Experten Günter Meyer zufolge war die letzte UN-Waffenruhe genutzt worden, Dschihadisten nach Aleppo zu schleusen und mit Waffen zu versorgen. Die Waffen seien über die Türkei von Katar und Saudi-Arabien finanziert worden, sagte der Professor an der Universität Mainz am Montag im Deutschlandradio Kultur. Damaskus und Moskau wollten sich kein zweites Mal austricksen lassen. Er begrüße die Verhandlungen über eine Feuerpause und die Hilferufe der Ärzte in Aleppo, die politischen Druck erzeugten.
Als zweiten großen Krisenherd besprachen die Außenminister in der Hauptstadt der Ural-Region die Lage in der Ukraine. Russland wie die Ukraine hätten ihm trotz neuer Spannungen zugesichert, an den Minsker Vereinbarungen zur Konfliktlösung in der Ostukraine festzuhalten, sagte Steinmeier. Im Osten der Ukraine kämpfen seit 2014 Kiewer Regierungstruppen gegen Separatisten, die von Moskau mit Waffen und Soldaten unterstützt werden.
Relativer Waffenstillstand um orthodoxe Feiertage
Die Bundesregierung habe keine eigenen Erkenntnisse zu russischen Vorwürfen, ukrainische Saboteure hätten auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim Anschläge verüben wollen, sagte Steinmeier. Mit diesen Anschuldigungen hatte Moskau vergangene Woche den Ton gegen Kiew bedrohlich verschärft. „Es muss jetzt alles unterlassen werden, was zu einer weiteren Verschärfung der Lage führt“, mahnte der deutsche Außenminister.
Lawrow gab der Führung in Kiew die Schuld daran, dass das Minsker Ukraineabkommen nicht umgesetzt wird. Obwohl in der Ostukraine in den vergangenen Monaten wieder mehr gekämpft wurde, gab sich Steinmeier vorsichtig optimistisch. „Ich glaube, dass wir den Waffenstillstand in der Ukraine besser und sicherer machen können.“ Er sehe auch Chancen, politische Fragen wie ein Wahlgesetz und einen Autonomiestatus für die Separatistengebiete zu lösen.
Auch am Montag berichteten die Konfliktparteien von Verstößen gegen die Waffenruhe. Während die Armee von einem Verletzten sprach, meldeten die Separatisten zwei tote Kämpfer im Luhansker Gebiet. 2016 konnte allenfalls um die orthodoxen Osterfeiertage im Mai von einem relativen Waffenstillstand gesprochen werden.
„Früher oder später wieder stabiler“
Zu Aleppo erklärte Steinmeier: „Ich bleibe dabei, dass drei Stunden (Feuerpause) am Tag nicht ausreichen.“ Lawrow stimmte dem zu, ging aber nicht weiter ins Detail. Nach Angaben von Beobachtern in Aleppo werden auch die drei Stunden Feuerpause nicht eingehalten.
Nötig seien Versorgungskorridore in die Stadt hinein, sagte Steinmeier. Notfalls müssten Güter aus der Luft abgeworfen werden. Als positive Nachricht nehme er aus dem Gespräch mit Lawrow mit, dass die USA und Russland über eine humanitäre Aktion für Aleppo berieten.
Vor ihren politischen Gesprächen diskutierten Steinmeier und Lawrow mit Studenten. Dabei sagten sie, dass die deutsch-russischen Beziehungen derzeit schwierig sein. Beide sahen aber Chancen auf eine Verbesserung. „Ich bin überzeugt, dass unser Verhältnis früher oder später wieder stabiler wird“, sagte Lawrow. Deutschland sei für Russland ein Schlüsselpartner.
Steinmeier hat die Millionenstadt Jekaterinburg am Ural an der Grenze zwischen Europa und Asien schon mehrfach besucht. In Grundsatzreden 2008 und 2014 war er für eine engere Zusammenarbeit eingetreten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sturz des Assad-Regimes
Freut euch über Syrien!
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Krieg in Nahost
Israels Dilemma nach Assads Sturz
Weihnachten und Einsamkeit
Die neue Volkskrankheit
Missbrauch in der Antifa
„Wie alt warst du, als er dich angefasst hat?“
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima