: „Stein der Weisen“
■ Betr.: „Multikultur – nur ein Kir chentagsmotto?“, taz vom 8.1.94
Scheinbar hat das Gesprächsquartett den Stein der Weisen entdeckt: Multikulti ist das Nonplusultra. Und dieses Hirngespinst wird als das neueste Dogma von der taz ex cathedra verkündet. Doch leider wollen manche das schönste Dogma einfach nicht annehmen.
Als Frau kann ich Multikulti nicht als positiv oder „chic“ einordnen (empfinden darf ich ja nicht sagen). Es war eine Sisyphusarbeit, Verbesserungen für Frauen zu erreichen. Und es bleibt ein mühsamer Weg, unsere Menschenrechte einzufordern. Doch unter dem Mäntelchen Multikulti steckt zuviel hemmungslose Frauenfeindlichkeit. Welche negativen Erfahrungen wir gemacht oder zu erwarten haben, wird meistens komplizenhaft unter den Teppich gekehrt. Zwar betont Daniel Cohn- Bendit, daß die Klitorisbeschneidung nicht hingenommen werden darf, aber die zahlreichen Vorstufen zu dieser himmelschreienden Unmenschlichkeit sind schon bedrückend genug.
Natürlich müssen wir uns um ein friedliches Zusammenleben bemühen, und das erreichen wir nur, wenn die Menschenrechte aller Frauen voll respektiert werden. Wenn ich mir die Weltlage ansehe, komme ich zu dem Ergebnis: Als „Kampfbegriff mit sozialwissenschaftlichen Implikationen“ entspricht Multikulti den Posaunen von Jericho und den Innereien des Trojanischen Pferdes.
Außerdem sollen linke Moralprediger auch einmal registrieren, daß von deutscher Seite durchaus Offenheit, Toleranz und finanzielle Opfer in Multikulti investiert werden. Maria Krauß, Mülheim/Ruhr
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