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Steffen Grimberg Flimmern und RauschenARD, da weiß man, was man hat

Foto: Regentaucher

Die kürzlich verstorbene TV-Moderatorin Evelyn Lazar musste viele Fragen beantworten. Sie präsentierte als erste Frau die „Abendschau“ beim SFB (heute RBB) und bekam körbeweise Post, warum sie denn jeden Tag etwas anderes anhabe. Das war 1971’ne Sensation, genauso wie die Tatsache, dass da eine Frau die Nachrichten im Fernsehen moderierte.

Heute sind bei den News­mo­de­ra­to­r*in­nen zumindest m/w ziemlich gleichmäßig verteilt, alles Weitere fehlt noch. Doch die Frage „Was zieh ich an“ bleibt. „Es muss doch total egal sein, was ich anziehe. Mehr Klamottenfreiheit statt Kleiderordnung“, zeigt die Mitbewohnerin die Veto-Karte. Aber nicht beim Fernsehen. Die großartigen Kol­le­g*in­nen von übermedien haben jüngst das Geheimnis gelüftet, wer sich kümmert. Michaela Vogt vom NDR zum Beispiel, die den Menschen bei „Tagesschau“ und „Tagesthemen“ das Passende raussucht. Und dafür sorgt, dass es sich nicht mit dem wohltemperierten Nachrichtenblau der ARD beißt.

Dank übermedien wissen wir auch, dass die eigentliche ARD-Reform schon 2022 begann. Ab da durfte der Schlips im Schrank bleiben. Nur in der „Tagesschau“ um 20.00 Uhr ist er weiter vorgeschrieben, von wegen Seriosität und so. Bei „tagesschau24“ sind dagegen sogar T-Shirt unterm Sakko oder Pullover okay. „Wenn das halbwegs hochwertig aussieht und keinen ausgeschlabberten Ausschnitt hat, ist das erlaubt“, sagt Vogt. Nur kleinkariert geht gar nicht. Wenn das bloß auch inhaltlich fürs Restprogramm gelten würde! Denn da geht viel zu oft der Trend zum biederen Beige, schon wegen parteipolitischer Missverständlichkeiten. „Die Farben, die wir tragen, sind keine politischen Statements, sondern Ausdruck professioneller Überlegungen“, hat mal MDR-„Thüringen-Journal“-Moderatorin Susann Reichenbach gesagt.

Weil „tagesschau24“ aber nach dem Willen der Medienpolitik demnächst mit Phoenix verschmelzen könnte, wird hiermit von der Entsorgung aller Bundfaltenhosen energisch abgeraten. Apropos Phoenix, da wurde neulich ja auch die große Petition „Phoenix muss bleiben – Für eine besser angezogene Republik“ übergeben. „Stelle auch den Antrag, keine Porno-Schuhe mehr im Studio, sondern FlipFlops an die Macht“, meint dagegen die Mitbewohnerin.

Schwierig wird’s bei Menschen mit Lila (wegen Blau) und überhaupt Knallfarben. Dass diese Farbexperimente nicht immer klappen, lässt sich regelmäßig am heimischen Bildschirm bewundern. Zum Glück hat die ARD jetzt den hier schon mehrfach erwähnten Hager-Hoodie. Er ist nach dem ersten ARD-Vorsitzenden der Neuzeit benannt, mit allen handelsüblichen Waschmitteln waschbar und in seinem fröhlichen Dunkelgrau leider gerade sehr passend zur Situation in der großen weiten Welt. Gemäß dem altbekannten Motto aus Evelyn Lazars Zeiten „ARD, da weiß man, was man hat. Guten Abend.“

Steffen Grimberg ist leitender Redakteur beim KNA-­Mediendienst.

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