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Steffen Grimberg Flimmern und RauschenPossen aus der Leipziger Journalistik

Foto: Regentaucher

In Woche zwei nach den Bundestagswahlen werden nach und nach die Verlierer sichtbar. Nein, nicht FDP oder BSW. Es ist die Universität Leipzig, genauer deren Institut für Kommunikations- und Medien­wirtschaft.

Hier dürfte am 23. Februar Sekt kalt gestanden haben. Doch die Korken blieben drin. Und das hatte dann doch wieder mit dem BSW zu tun. Mit 4,97 Prozent hatten Sahra Wagenknecht und ihr Bündnis den Einzug in den Bundestag verpasst. Was bedeutet, dass auch der sächsische BSW-Spitzenkandidat Marcel Machill bleibt, wo er ist.

Das Institut und sein (Rest-) Studiengang Journalismus werden ihn nicht los. Hier ist MM seit 23 Jahren Professor und fast genauso lang eine Herausforderung für die Uni. Leipzig ist der Geburtsort der Zeitungswissenschaft in Deutschland und der akademischen Journalistenausbildung auch zu DDR-Zeiten, Rotes Kloster hin oder her. Auch der Journalistikstudiengang tief im Westen an der Uni Dortmund ist nach dem Leipziger Modell aufgebaut. In Dortmund haben MM und ich ab Oktober 89 studiert.

Mit der Leipziger Journalistik ist es heute leider nicht mehr so weit her. Was nach Meinung etwa von Michael Haller auch am Professor MM liegt. Haller, der den Studiengang seit 1993 leitete, wurde von MM in einen absurden Hahnenkampf gedrängt. Von den Querelen hat sich das Insti­tut nicht erholt. 2010, Haller war schon im Ruhestand, verklagte MM einen Studierenden, der ein Buch von ihm eingescannt hatte. Das war vergriffen, in der Bibliothek ausgeliehen und dummerweise bei Professor MM Klausurstoff.

Mit der Posse schaffte es die Leipziger Journalistik dann doch noch mal in alle Medien vom Spiegel bis zur Süddeutschen. Und der seinerzeitige Prorektor der Alma Mater Lipsiensis steuerte das schöne Zitat bei, es vergehe „praktisch kein Semester, in dem ich mich nicht mit der Causa Machill beschäftigen muss. Es fehlt mir leider der Löffel, um diesen Brei auszulöffeln.“ Nach einem Bericht der Zeit gibt es auch aktuell wieder Zoff. Es geht um MMs Reisen nach Fernost im Rahmen einer Lehrredaktion der Leipziger Volkszeitung und andere Finanzierungsfragen. MM sagt, hier sei alles korrekt abgerechnet und geprüft worden.

Für das BSW war MM dann letztes Jahr im Nahen Osten unterwegs, nach den Landtagswahlen in Sachsen. Laut Medienberichten soll er wesentlich daran beteiligt gewesen sein, die Verhandlungen für die Brombeerkoalition in Dresden platzen zu lassen. Was für Sachsen und Leipzig eine gute Nachricht ist. Die me­dien­politischen Vorstellungen des BSW triefen vor Unterstellungen und Misstrauen gegen Journalismus allgemein und die Öffentlich-Rechtlichen im Besonderen. Und haben gar nichts mit dem zu tun, was wir beide nach dem Leipziger Modell in Dortmund gelernt haben. „Gut muss aber auch nicht heißen, dass es wahr ist. Kinder an die Macht!“, sagt die Mitbewohnerin.

Steffen Grimberg ist leitender Redakteur beim KNA-­Mediendienst.

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