Stefan Reinecke über die Krise der SPD in Nordrhein-Westfalen: Knapp vor dem Infarkt
Die Performance von Schwarz-Gelb in NRW ist alles anders als überzeugend. Zum Minister für Medien wollte die CDU ernsthaft einen Mitinhaber des Funke-Medienkonzerns machen – das ist so, als würde Carsten Maschmeyer Wirtschaftsminister. Die Landwirtschaftsministerin stolpert von einem Skandal in den nächsten. Mehr als die Hälfte der WählerInnen ist unzufrieden mit der schwarz-gelben Landesregierung – Tendenz steigend.
Das müssten blendende Zeiten für die Opposition sein. Doch die SPD kommt in der letzten Umfrage nur auf 22 Prozent. Auch wenn das nur eine ungenaue Momentaufnahme ist: Die Zahl ist alarmierend. Der SPD droht in ihrer früheren Herzkammer der Infarkt. Gerade, weil Schwarz-Gelb so mäßig regiert, ist dieser Abstieg richtig schlimm.
Woher das Desaster? Nirgends war der Widerwillen gegen die Groko flügelübergreifend so heftig wie zwischen Aachen und Unna. Der Slalomlauf vom Nein zum Ja hat viele verstört und abgestoßen. Vor allem aber ist der freie Fall der SPD die Quittung für die Fallhöhe zwischen der vollmundigen Ankündigung, nun alles anders zu machen, und der unbeugsamen Neigung, alles exakt so zu lassen wie es schon immer war. So kündigte Landeschef Mike Groschek „Basis statt Basta“ an, doch die Postenbesetzung danach lief wie gewohnt. Immerhin votierte die Fraktion dann gegen die Order von oben für Thomas Kutschaty als neuen Chef – auch weil der die Fahne der Groko-Gegner hochgehalten hatte.
Das Problem der NRW-SPD verdeutlicht der Fall Martin Börschel. Der Kölner wollte auch gern Fraktionschef werden und angelte sich, weil er das nicht wurde, einen fürstlich honorierten, neu für ihn geschaffenen Job bei den Kölner Stadtwerken. Das ist die Welt von gestern: SPD und Stadtwerke, AWO und Gewerkschaften sind verschiedene Teile desselben sozialen Körpers – und Postengeschacher ist die normale Art, Konkurrenzen zu befrieden. Dieses Modell wird, wie die alte Industrie, untergehen. Die SPD wird sich radikal renovieren müssen – oder mit im Orkus verschwinden.
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