Stefan Liebich über Stasiunterlagenbehörde: "Jahn hat sich nie angepasst"
Die Linkspartei sieht die Stasiunterlagenbehörde kritisch. Deren neuen Chef Roland Jahn hat der Linkspartei-Abgeordnete Stefan Liebich trotzdem mitgewählt.
taz: Herr Liebich, am Freitag wurde Roland Jahn zum neuen Chef der Stasiunterlagenbehörde gewählt. Hat er Ihre Stimme bekommen?
Liebich: Ja und ich denke die von etlichen anderen aus meiner Fraktion auch.
Sie hatten schon vorher angekündigt, dass Sie Jahn wählen wollen. Gab es dafür Kritik aus den eigenen Reihen?
Nein, gar nicht. Roland Jahn hat sich Anfang der Woche unserer Fraktion vorgestellt und da gab es viel positive Rückmeldung.
Heißt das, die Linkspartei hat sich mit der Institution Stasi-Unterlagenbehörde ausgesöhnt?
Das nun nicht gleich. Es gab ja bei der Gründung heftige Debatten über den Sinn einer solchen Institution. Übrigens in allen Parteien, wenn ich daran mal erinnern darf. Leider hat die Art und Weise, wie die bisherigen Leiter die Behörde geführt haben, nicht dazu beigetragen, dass die Skepsis vor allem innerhalb unserer Fraktion abgenommen hätte.
Und was ist Ihre persönliche Sicht?
Ich war damals sehr skeptisch. Aber Roland Jahn hat einen differenzierten Blick auf die DDR-Vergangenheit in Aussicht gestellt.
Und das unterscheidet ihn von Joachim Gauck und Marianne Birthler?
Als Gauck angetreten ist, war die Bevölkerung durchaus bereit, sich mit den Grautönen der DDR-Vergangenheit zu beschäftigen. Es ging dann aber sehr schnell und bis heute häufig nur darum, wer eine Akte hat und wer nicht.
Stefan Liebich, 38, stammt aus Wismar und ist in Berlin-Marzahn aufgewachsen. 1991 wird er PDS-Mitglied und sitzt seit 2009 für Die Linke im Bundestag. Liebich gilt als Initiator der innerparteilichen Strömung Forum Demokratischer Sozialismus.
Absolute Mehrheit: Mit 535 von 577 Stimmen wurde der frühere DDR-Bürgerrechtler Roland Jahn (57) am Freitag im Bundestag zum neuen Bundesbeauftragten für Stasi-Unterlagen gewählt. Der parteilose Journalist wird nach Joachim Gauck und Marianne Birthler der dritte Leiter der Bundesbehörde mit insgesamt 1.800 Mitarbeitern. Der Amtswechsel ist für den 14. März geplant.
Bewegte Vergangenheit: Der neue Stasi-Bundesbeauftragte stammt aus Jena (Thüringen). Im Juli 1983 wurde er gegen seinen Willen aus der DDR abgeschoben. Vom Westen aus unterstützte Jahn die DDR-Opposition und wurde eine der wichtigsten Kontaktstellen zwischen ostdeutschen Bürgerrechtlern und West-Medien. Seit 1986 arbeitete er für TV-Magazin "Kontraste" .
Die Behörde: Die nach der Einheit gegründete Behörde verwaltet nicht nur die Hinterlassenschaft der Staatssicherheit. Anliegen ist, auch über die Strukturen des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) aufzuklären und so zur Aufarbeitung der SED-Diktatur beizutragen. In die Amtszeit des neuen Beauftragten fällt die Debatte über die Zukunft der Einrichtung. Bei der Stasiunterlagenbehörde wurden bislang insgesamt 2,75 Millionen Anträge auf Einsicht in Akten gestellt. (dpa)
Aber mit Roland Jahn wird sich das ändern?
Er ist einer, der sich weder in der DDR noch in der Bundesrepublik angepasst hat, aber sich an die Zeit in seiner Jugend erinnert, als er Rädchen im System war. Er ist gegen seinen Willen ausgebürgert worden. Das ist eine nachvollziehbare DDR-Biografie, die ihn für mich wählbar macht. Jahn hat gesagt, er will wissen, wie diese Diktatur funktioniert hat. Das ist zwar reichlich spät, würde aber dem ganzen Land gut tun.
Sie sehen ihre Partei als SED-Nachfolgerin. Roland Jahn sieht sich als Anwalt der SED-Opfer. Passt das zusammen?
Wir sind nun mal die Nachfolgerin der SED und zwar nicht nur formaljuristisch. 1989 hat sich der Sonderparteitag bewusst gegen die Auflösung entschieden. Und das gilt auch für die Gründung der Partei Die Linke 2007. Damit sind wir doch aber nicht die "Anwältin" der Täter. Im Gegenteil. Aber wir können auch nicht so tun, als ginge uns die Vergangenheit nichts an. .
Und was sagen Sie ParteikollegInnen wie Ulla Jelpke, die die Stasiunterlagenbehörde endlich abgeschafft wissen will?
Solange der Wunsch, auf diese Unterlagen zuzugreifen, noch so groß ist, bin ich nicht derjenige, der für eine Abschaffung plädiert.
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