Stefan Alberti zur Forderung nach Neuwahlen in Brandenburg: Dietmar Woidkes Einsicht darf nicht bestraft werden
Stefan Alberti
ist Redakteur für Landespolitik
Neuwahlen? Rücktritt? Schade, wenn politischen Parteien nicht mehr einfällt. Im konkreten Fall sind es die Fraktionen von CDU und AfD, die das in Brandenburg nach der abgesagten Kreisgebietsreform fordern. Das Skurrile ist: Sie selbst haben sich – wie auch viele Sozialdemokraten – gegen die Reform gestellt. Und nun, da Ministerpräsident und SPD-Landeschef Dietmar Woidke auf ihre Linie umschwenkt, soll er deswegen sein Amt verlieren? Dafür, dass er etwas macht, was seine Kritiker von ihm gefordert haben? Dafür, dass er nun Einsicht zeigt? Dieser Denke fehlt jede Logik.
Die Lage wäre anders, wenn Woidke vor der bislang letzten Landtagswahl 2014 etwas Lukratives versprochen und damit viele Stimmen mehr für die SPD akquiriert hätte, von dem er sich jetzt verabschieden würde – mehr Geld und Jobs und Freibier für alle. Doch die Lage ist ja genau umgekehrt: Die Kreisgebietsreform, die Woidke 2013 in seiner ersten Regierungserklärung als Nachfolger von Matthias Platzeck ankündigte, war von Anfang an unbeliebt und kein Stimmenbringer für die SPD.
Deshalb ist ihm Wählertäuschung am wenigsten vorzuwerfen. Und selbst wenn es anders wäre: Dieses „Kreuzige ihn!“, das CDU und AfD nun anstimmen, kommt zwar leider oft gut an, weil viele auf sinnentleerte, aber markige Sprüche abfahren. Es steckt aber bloß die Hoffnung beider dahinter, bei einer vorgezogenen Neuwahl mit einer kriselnden SPD besser abzuschneiden als beim normalen Wahltermin 2019. Es spricht für die Grünen als dritter Oppositionsfraktion, dass sie die Forderung von CDU und AfD nicht unterstützen.
Dass die Idee von Neuwahlen jeglicher Logik entbehrt, reiner Populismus ist und darum im Landtag keine Mehrheit findet, heißt aber nicht, dass Woidke auf Dauer im Amt bleibt – zu aufgewühlt scheint gerade die Stimmung bei den Sozialdemokraten. Und einen neuen Ministerpräsidenten könnte die rot-rote Koalition auch ohne landesweite Wahl im Parlament bestimmen. Was aber genauso schade wäre, nicht bloß für Woidke. Denn die Lehre für jeden Amtsträger daraus wäre: Einsicht und Umdenken lohnen sich nicht.
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