: Stau am Onliner-Dreieck
Kostenbewußte Bahnreisende kennen das Problem: Wer mit dem billigen Wochenendticket die Erbtante in Schlottach-Wombach besuchen möchte, muß mit endlosen Schlangen vor den Fahrkartenschaltern rechnen. Ist er dann endlich am Bahnsteig angelangt, sind die Züge oft hoffnungslos überfüllt, obendrein verspätet. Und wer sich am ersten Ferientag auf bundesdeutsche Autobahnen traut, ist selber schuld.
Neuerdings kommt es allerdings auch auf dem vielbeschworenen „Informations Superhighway“ immer häufiger zum Stau. Seit kommerzielle Online-Dienste wie AOL, MSN und T-Online mit scheinbar preiswerten Angeboten und (bis auf die wegszensierten Newsgroups) vollem Internet-Zugang locken, tönt das Besetztzeichen immer öfter aus dem Modemlautsprecher.
Da wird man zum HB-Männchen und greift zur Beruhigung nach acht Jahren Online-Banking wieder zum Überweisungsformular samt verdrecktem Durchschlagpapier – weil man feststellt, daß der Bankrechner nach Mitternacht, also in den Zeiten relativer Online-Ruhe, neuerdings mit internen Abrechnungen beschäftigt ist und daher den Zugriff verweigert.
Besonders kraß ist das bei CompuServe. In den Abendstunden, wenn die etwas gemäßigte
ren Telekom-Tarife gelten, hat man bei vielen der Einwählknoten praktisch kaum eine Chance, eine stabile Verbindung zu bekommen. Beim Berliner Knoten ist das besonders schlimm und passiert einem natürlich immer dann, wenn gerade mal wieder ein eiliger Text verschickt werden soll oder wichtige Mail erwartet wird. Wer aus beruflichen Gründen seine Daten problemlos und schnell über die Leitung schicken muß, wird in solchen Situationen auch schon mal einen der relativ zuverlässigen Knoten in München oder Frankfurt anwählen. Und damit wird der vermeintliche Preisvorteil (9,95 Dollar im Monat inklusive fünf Stunden Onlinezeit) wieder von der Telekom aufgefressen.
Da hilft nur lautstarker Protest bei CompuServe in Unterhaching. Es ist einfach ein Unding, mit riesigem Werbeaufwand und Internet-Zugang zigtausend neue KundInnen zu werben, ohne die dann erforderlichen Rechnerkapazitäten bereitzustellen. Ein Rechtsanspruch auf eine freie, stabile Leitung mit adäquaten Übertragungsraten besteht für CompuServe-KundInnen nicht.
Wem es in erster Linie auf das Internet ankommt, der ist mit einem reinen Internet-Provider ohnehin besser bedient. Der holt nämlich die Online-taz und andere interessante Web-Seiten direkt und schnell von den entsprechenden Servern und quält sie nicht erst vom CompuServe- Rechner in Columbus/Ohio über den Atlantik.
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