: Statt Kindergärten Kongreßzentrum geplant
■ Eltern von abgebranntem KTH protestieren gegen Neubauverzögerung / Architekt für wichtigeres abgezogen
Für BürgerInnen aus der südlichen Neustadt ist sie ein vertrauter Schandfleck, ein Symbol sozialdemokratischer Kindergartenpolitik: Die Brandruine des Kindertagesheimes „Thedinghauser Straße“. Am 30. April 1989 von unbekannten TäterInnen abgefackelt, steht das ausgebrannte Gebäude bis heute in seiner Häßlichkeit da, als gäbe es im Stadtteil nicht 140 und mehr Kinder, die dringend vor- oder nachmittags einen Platz im Kindergarten oder im Hort bräuchten.
Kaum war die Ruine im Mai 89 bautechnisch untersucht und für nicht-mehr-aufbaubar befunden worden, waren Eltern und Heimleitung zur Eile gemahnt worden. Wenn sie schon unbedingt beim Neubau mitreden wollten, sollten sie mit ihrem gesamten Neubau-Konzept doch bitteschön binnen einer Woche überkommen, ansonsten würden sie die Baumaßnahmen verzögern. Und Eltern und MitarbeiterInnen dachten sich in ihrer knappen Freizeit und unter großem Zeitdruck was aus: Größer, schöner, kindgerechter und stadtteilorientierter sollte der Neubau werden. Mit Ru
hezonen, mit Experimentier-und Abenteuerbereich, mit Werkstattbühne und Elterncafe. Am 26. Mai beschloß die Deputation den „zügigen Wiederaufbau“, am 12. Juli waren die Baupläne fertig abgestimmt. Und seitdem ist Warten angesagt, Warten auf die Abrißbirne und auf die Bauarbeiter. Die Kinder sind nach etlichen Zwischenlösungen derzeit auf drei verschiedene Schulen verteilt. Die 3-6jährigen werden per Fahrdienst nach Huckelriede in die Schule „Valckenburgher Straße“ hin-und herbefördert. Die Hortkinder gehen entweder in die Schule Gottfried-Menken-Straße oder in die Schule Karl-Lerbs-Straße. Statt dieser räumlichen Zerstreuung hatten Eltern und MitarbeiterInnen sich eigentlich die „Containerlösung“ gewünscht. Aber die wurde vom Sozialsenator abgelehnt. Begründung: Die Container würden die Baumaßnahmen stören.
Als aber Anfang 1990 immer noch keine Bauarbeiter zu sehen waren, wurden die Eltern zunehmend mißtrauisch. Doch von der Sozialbehörde bekamen sie offziell immer die gleiche Auskunft: Ab 1. März wird endgültig abgerissen und am 1.
September - pünktlich zum neuen Kindergartenjahr - ist das schöne neue KTH bezugsfertig. Als die Eltern aber merkten, daß in den anderen Stadtteilen bei den dortigen KTH -Anbauprogrammen auch noch kein Spatenstich zu sehen war, fragten sie nochmal in der Sozialbehörde nach. Und hinter vorgehaltener Hand bestätigte man ihnen: Es ist zu spät. Da die Baumaßnahmen noch nicht einmal ausgeschrieben sind, folglich der Vergabeausschuß auch noch nicht getagt hat, könne der Bau unmöglich bis zum 1. September stehen.
Gestern versammelten sich Eltern und Kinder deshalb an der Ruine zu einer Protestkundgebung. Niemand weiß, was wird. „Glaubten wir damals noch an eine verscherfte Herangehensweise, so müssen wir nun feststellen: 'Dor sit nu een Uhl'“, haben die Eltern in ihre Pressemitteilung gedichtet. Und: „Vertröstungen, leere Versprechungen und offenkundige Lügen sind alles, was Eltern und KTH -Mitarbeiter aus den senatorischen Behörden zu hören bekommen.“ Die Angst geht um, daß die Kinder nicht länger in den umliegenden
Schulen notuntergebracht werden können.
SPD-VertreterInnen ließen sich nicht sehen
Von der SPD ließ sich vorsichtshalber keine VertreterIn sehen. Die grüne Abgeordnete Helga Trüpel nannte die Senatspolitik „absolut ignorant. Die machen Wahlkampf mit dem Kindergarten-Ausbauprogramm und mit ihrer Frauenpolitik und dann verschlampen, verschnarchen und verzetteln die das.“ Eltern rätselten, wie die Verzögerungen wohl zu erklären seien. Ob es an der
Bürokratie im allgemeinen liege, oder ob das ganze „System“ habe.
Für die Vertreterin des „Amtes für soziale Dienste Süd“, Carow-Leppke, hat die Geschichte System. Vom SPD -Sozialpolitiker Reinhold Stierung hat sie auf einer öffentlichen Beiratsitzung in Huchting erfahren, warum das Kindergartenprogramm stockt: Im Hochbauamt seien die Kapazitäten so begrenzt, daß der für die KTHs verantwortliche Architekt abgezogen worden sei, um das Weserstadion und das Kongreßzentrum zu planen.
Barbara Debus
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