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Statt Dienst in Kasernen Hilfe in Krankenhäusern

Ziviler Ersatzdienst für Kriegsdienstverweigerer  ■ Von Eva Tasche

Bonn. Als am 10. April 1961 die ersten Kriegsdienstverweigerer in der Bundesrepublik zum zivilen Ersatzdienst herangezogen wurden, dauerte dieser ebenso lange wie der Grundwehrdienst. 340 junge Männer der Jahrgänge 1937 und 1938 wurden für zwölf Monate für einen Einsatz in Krankenhäusern, Heil- und Pfegeanstalten und karitativen Organisationen verpflichtet. Um Dienstdauer, Tätigkeit und Anerkennung von Kriegsdienstverweigerern gibt es heftige Diskussionen.

Mehr als 400.000 junge Männer aus den alten Bundesländern haben in den letzten 30 Jahren als Ersatz für den Wehrdienst vorwiegend im sozialen Bereich gedient. Zwischen elf und 13 Prozent eines Jahrgangs verweigern seit Beginn der 80er Jahre den Dienst mit der Waffe. 1989 erreichte ihre Zahl mit 77.432 Rekordhöhe. 1990 ging sie wieder leicht zurück, was aber mit der geringeren Zahl dieses Jahrgangs erklärt wird. In den Jahren 1958 bis 1968 hatten dagegen jährlich nur zwischen 2.500 und 4.500 Wehrpflichtige ihr im Grundgesetz verbrieftes Recht in Anspruch genommen, nachdem niemand „gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden“ darf. Während der jüngsten Krise am Persischen Golf nahm die Zahl der Verweigerer ebenfalls sprunghaft zu. Auch wuchs ihr Anteil unter Berufssoldaten und Reservisten deutlich. Allein bei den beiden Flugabwehrgeschwadern, die in die Türkei verlegt wurden, hatten 61 Soldaten einen Antrag auf Verweigerung gestellt. Es gab zahlreiche Forderungen, solche Soldaten sofort aus dem Dienst zu entlassen. Eigentlich müssen sie nach einer Verhandlung vor Ausschüssen bei den Kreiswehrersatzämtern deren Entscheidung abwarten. Dieses Anerkennungsverfahren mit der jahrelang umstrittenen „Gewissensprüfung“ gilt seit 1984 für ungediente Wehrpflichtige nicht mehr. Jahrelang galten die Verweigerer als „Drückeberger“, denn in der Anfangszeit war nur jeder vierte Verweigerer zum Ersatzdienst herangezogen worden. Inzwischen gibt es aber mehr Einsatzstellen als „Zivis“. In vielen sozialen Bereichen sind die Zivildienstler unentbehrlich geworden. Zum Beispiel leisten sie 96 Prozent der Arbeitsstunden in der individuellen Betreuung von Schwerstbehinderten und alten Menschen in ihren Wohnungen.

Seit dem 3. Oktober gilt auch in den neuen Ländern das Kriegsdienstverweigerungs- und Zivildienstgesetz der alten Bundesrepublik. Damit wurde die von der Übergangsregierung Hans Modrow (SED/PDS) eingeführte Rechtsverordnung aufgehoben, nach der seit März 1990 Ex- DDR-Bürger freie Wahl zwischen jeweils 12monatigem Wehr- oder Zivildienst hatten. Modrow hatte damit seinerzeit Forderungen der Kirchen und der Demokratiebewegung entsprochen. Auch in der Bundesrepublik war die Regelung von vielen als beispielhaft angesehen worden. In den neuen Bundesländern gab es 1990 im Jahresdurchschnitt 27.000 Zivildienstleistende. adn

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