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Starke Deutsche beim GiroKollektive Attacken

Beim Giro d’Italia wächst das deutsche Bora-Team über sich selbst hinaus. Mit dem Australier Hindley hat es zudem einen Asprianten für den Gesamtsieg.

Bereits auch Etappensieger: Jai Hindley freut sich über seinen Tagessieg beim Giro

Salò taz | „Zwei Etappensiege durch Lennard Kämna und Jai Hindley, Platz 2 im Gesamtklassement für Jai, und ich selbst auf Platz 7 mit weniger als zwei Minuten Rückstand – die ersten zwei Wochen hätten kaum besser laufen können für uns.“ So bilanzierte Emanuel Buchmann, Vierter der Tour de France 2019 und einer von ursprünglich drei Kapitänen von Bora hansgrohe, die vergangenen 15 Etappen des Giro d’Italia. Von den drei Kapitänen sind noch zwei übrig geblieben, eben Buchmann und der enorm starke Australier Jai Hindley.

Den dritten Anführer einen Ausfall zu nennen, wäre aber komplett falsch. Denn nachdem Wilco Kelderman durch einen Defekt auf der 9. Etappe alle Chancen auf eine gute Gesamtplatzierung verloren hatte, stellte er sich komplett in den Dienst der Mannschaft. Er ging in Fluchtgruppen, um den Kollegen Kraftvergeudung bei der Nachführarbeit zu ersparen. Vor allem aber wuchs der Niederländer auf der 14. Etappe schier über sich hinaus. Denn bei diesem Rundkurs über die Hügel rings um Turin dominierte sein Rennstall das Geschehen, wie man es selten vorher erlebt hatte.

Mehr als 80 Kilometer vor dem Ziel waren plötzlich fünf Bora-Profis vorn. Sie rissen ein Loch ins Peloton, nur wenige andere Profis anderer Rennställe konnten folgen. „Wir waren selbst überrascht, wie gut das funktionierte. Die meisten Spitzenfahrer, darunter auch Richard Carapaz, waren isoliert. Nur Bahrain Victorious und Intermarché Wanty Gobert hatten zwei Fahrer dabei“, frohlockte der sportliche Leiter Jens Zemke. Bora hingegen war mit fünf Mann vertreten. Erst holte der junge Italiener Giovanni Aleotti alles aus sich heraus, dann war Lennard Kämna, Etappensieger vom Ätna, an der Reihe. Schließlich kam die Stunde des Wilco Kelderman. Mehr als eine ganze Runde über das piemontesische Hügelland, fast 40 Kilometer, kurbelte er vorn. „Wilco hatte selbst nicht geglaubt, dass er das schafft. Aber dann hat er seine eigenen Vorstellungen weit übertroffen“, sagte Zemke.

Das war das Besondere an diesem Tag. Jeder im grün-schwarzen Bora-Dress wuchs über sich hinaus. Am Ende holte zwar Carapaz, bereits 2019 Gesamtsieger des Giro d’Italia, das rosa Trikot. Hindley aber bezwang ihn noch im Sprint um Etappenrang 2. Und auf viele andere Rivalen konnte Zeit herausgeholt werden. „Es war ein verrückter Tag“, fasste Hindley zusammen.

Das Peloton auseinanderfahren

Er befindet sich im Klassement nun in Lauerstellung. Er kann darauf bauen, in Buchmann noch einen Co-Kapitän zu haben, dem die Rivalen nachsetzen müssen. Vor allem weiß Hindley aber jetzt, welch starke Mannschaft er zur Verfügung hat. „Die Etappe vom Samstag hat allen zusätzlich Selbstvertrauen gegeben. Denn die Fahrer wissen jetzt, dass sie, wenn sie es wollen, das Peloton auseinanderfahren können“, bilanzierte Zemke.

Das ist ein ganz neues Gefühl. Fahrer, die bisher bestenfalls um Podiumsplätze rangelten und deren größte Tugend darin bestand, sich so lange wie möglich unsichtbar zu machen, strotzen plötzlich vor Selbstbewusstsein. „Für uns als Team ist noch alles drin. Jai macht einen extrem starken Eindruck. Jeder bei uns sieht ziemlich gut aus. Auch ich fühle mich ganz gut. Ich denke, wir können noch einiges drehen“, befand Buchmann.

Lennard Kämna, Etappensieger am Ätna, richtet einerseits sein Auge auf einen weiteren Etappensieg aus einer Fluchtgruppe. Andererseits ist er auch in seiner Rolle als Helfer hoch motiviert. „Es macht einfach Spaß, hier beim Giro zu sein und für die Kapitäne zu arbeiten. Es ist ja nicht oft so, dass man solch starke Kapitäne hat“, sagte der Norddeutsche.

Und Jai Hindley hat die Augen fest auf das rosa Trikot gerichtet. 2020 trug er es schon einmal, für 19 Minuten beim Zeitfahren der Abschlussetappe. Damals war er langsamer als der Brite Tao Geoghegan Hart, und musste sich mit Gesamtplatz 2 zufrieden geben. Damals war diese Position eine Überraschung für ihn und seinen damaligen Rennstall Sunweb. Jetzt ist er geplant ganz dicht dran am großen Coup. Im Kampf Mann gegen Mann hat er Carapaz bei diesem Giro schon zwei Mal bezwungen. Seit Samstag weiß man, dass er auch das stärkste Team im Rücken hat. Mit ihm könnte Bora Geschichte ­schreiben und nach einer langen Durststrecke deutscher Rennställe mal wieder einen Rundfahrtsieg landen.

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