Starallüren

■ Baggio oder Romario – das ist hier die Frage, wen interessiert schon der Titel?

Berlin (taz) – Sonntag, 21.30 Uhr MEZ: 93.000 Zuschauer füllen das Rose Bowl Stadion in Pasadena, zwei Milliarden die Polstergarnituren vor der Glotze: Finale grande. Alles eine große Verschleierungstaktik. Als ob es wirklich darum ginge, ob nun Italien oder Brasilien zum vierten Male Weltmeister wird. Wen interessiert schon, daß Italien den Pokal 1934, 1938 und zuletzt 1982 den Tifosis vor Füssen legte und Brasilien 24 Jahre ohne auskommen mußte?

Die „Einmaligkeit dieses Ereignisses“ (dpa) und die Tatsache, daß daraus mit hundertprozentiger Sicherheit ein neuer „Rekord- Weltmeister“ (dito) hervorgehen wird – alles nur Staffage für das eigentliche Duell. Ein „Hollywood- Finale“ (Bild). Denn: getrost könnte man auf 20 der 23 Akteure verzichten. Selbige nebst dem Mann mit der Pfeife wahren doch nur den schönen Schein, daß es sich beim Weltmeisterschafts- Endspiel im Fußball-Entwicklungsland, um ein Spiel zweier Mannschaften mit je elf Fußballern handele.

Nein, „Bertis geschlagene Buben“ (Bild, Süddeutsche, FAZ, Frankfurter Rundschau, Die Welt) sind nicht mit von der Partie. Die teutonische Manneskraft backt kleinere Bälle (Tennis) und konzentriert sich wieder auf die Beschwörung des Teamgeistes aus der Schüssel (Davis-Cup).

In Wahrheit aber ist es „der Kampf der Fußball-Götter“ (Bild), das archaische Mann-gegen- Mann, was die Welt morgen zu sehen wünscht: Baggio gegen Romario. Baggio, für den angeblich „ganz Italien betet“ (Bild), und Romario, die „Straßenkatze“ (USA today), der Mann, den „nichts aufhält“ (Bild). Also, wer bekommt den „WM-Oscar für den Superstar“ (Bild)? Das ist hier die Frage. Was tut es schon zur Sache, daß es „Roby“ (Corriere della Sera) im Oberschenkel zwickt und sein morgiger Auftritt von Medizinern sabotiert werden könnte? Nichts, natürlich, gar nix. Denn Baggio will spielen. Trotz allem. Ah, ein ganzer Mann, eben. Ein Held wie er im Bilderbuch oder Deutschlands größtem Boulevardblatte steht: „Magic Baggio“, barbusig abgelichtet. Der Mann hat zumindest einen entscheidenden Vorteil: „Er ist sehr lieb“ (Andreina, seine Angetraute). Nein, nein, kein Macho. Deshalb muß er auch immer weinen, wenn er Tore schießt. Soviel Wasser, daß es selbst Arrigo Sacchi zuviel wird: „Aufhören!“ befahl der eigenwillige Trainer – „sonst muß ich mitweinen!“

Bei Romario ist das anders: der geht gerne in Discos, mit Perücke verkleidet, hat eine Affäre mit einer blondinen Schönheit (Klatschspalten), spielt Fußball wie weiland kleines dickes Müller (Gerd), Drehung blitzschnell, Schießen noch schneller, riecht Tore besonders gut, steht immer da, wo der TV-Reporter sagen kann „goldrichtig“. Sein einziges Problem, laut Trainer Parreira: er mache aus 29 Torchancen (siehe Bulgarien) nur ein Törchen. Verschwenderisch. So großzügig, daß es genial ist. Seine größte Stärke? „Daß meine Gegenspieler denken, ich schlafe.“ Na dann, gut' Nacht. coh