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Standpunkt mit Hohoho

■ Martin Buchholz in Bremen: „Kabarette sich wer kann“ / Wortwitze mit Perlen

hier Glatze

Fast ein wenig zu selbstbewußt- berlinerisch kommt er daher, der Martin Buchholz, stellt sich an einen Bistrotisch und kündigt an, er werde sein Publikum quälen. Mit bitteren Wahrheiten und Unbequemem, denkt sich der Hörer dazu, mit Spiegelvorhalten und Lachenimhalsesteckenbleiben, und was sonst noch so alles zu einem ordnungsgemäßen Kabarettprogramm gehört.

So geht es dann auch quer durch alle kabarettrelevanten Themen: Die Ossi-Weinerlichkeit, diverse Politiker nebst dazugehöriger Skandale — und immer wieder der dumpf-gefährliche Deutsche als solcher. Und sobald am Wegesrand eine Pointe auftaucht, wird sie gnadenlos anvisiert und mitgenommen.

Etliche Ausreißer sind auch dabei. Der Bundesverkehrsminister hat etwa „krause Gedanken“, der Bundeskanzler einen „breiten Patriarsch“ und der Bundesfinanzminister „verwaigelt die Aussage“. Gut — das ist hier aus dem Zusammenhang gerissen, aber es wird auch im Zusammenhang nicht besser. Und der Satz „Kabarette sich wer kann“ sollte ohnehin lebenslängliches Bühnenverbot bekommen.

Dazwischen aber auch Besseres, Gelungenes, Witziges und richtig Böses. Das wird hier aber nicht vorweggenommen; das soll, wer will, sich selbst ansehen. Jedenfalls reagiert das Publikum oft mit dem typischen Hohoho- Gelächter, das immer eine Grenzüberschreitung anzeigt.

Die Bandbreite des Niveaus irritiert etwas; vielleicht ist sie einfach nur der Bandbreite des Publikumsgeschmacks geschuldet; schließlich muß der Mann ja vom Kabarett leben. Aber das ist sicherlich nicht die einzige Triebfeder für das kabarettistische Schaffen des Martin Buchholz. Er hat, das spürt man deutlich, Standpunkt und Anspruch. Der Anspruch ist eindeutig aufklärerisch und der Standpunkt scheint in den letzten fünfundzwanzig Jahren ungewöhnlich stabil geblieben zu sein. Das gilt heute nicht mehr unbedingt als Qualität, wohl auch deshalb, weil die gerade abgelegte Denkmode immer besonders unmodisch wirkt.

Wer also vom Scheitern der Aufklärung noch nicht endgültig überzeugt ist, der soll sich Martin Buchholz ansehen. In den manchmal seichten Wortwitzkaskaden ist so manche Perle enthalten. Horst Szymaniak

8. und 9. April im Kito, 12. bis 16. April im Packhaus-Theater, immer um 20.00 Uhr

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