Standortpolitik in Deutschland: Kein Wahlkampf, keine Verantwortung
Mit der Absage des Magna-Deals ist die Politik aus der Verantwortung entlassen. Sie und der Opel-Betriebsrat Klaus Franz empören sich laut. Doch wie ehrlich ist das?
Um kaum mehr als fünf Wochen hat der deutsche Rettungsplan für Opel den Termin der Bundestagswahl überlebt. In Berlin war es schon Abend, als der Verwaltungsrat des US-Konzerns General Motors am Dienstag in Detroit beschloss, die deutsche Marke nun doch zu behalten. Da hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel gerade mit dem amerikanischen Präsidenten eine halbe Stunde lang über Afghanistan und das Weltklima gesprochen, ohne das Thema Opel auch nur erwähnt zu haben. Auch hatte sie zu diesem Zeitpunkt bereits ihre umjubelte Rede vor beiden Häusern des Kongresses gehalten, deren innenpolitische Wirkung nun vom Knall der Opel-Meldung übertönt wird.
Für Merkel war es ein schwieriges Thema von Anfang an, seit sich nach dem Ausbruch der Krise Ende vorigen Jahres Zahlungsschwierigkeiten bei Opel abzeichneten. Ende Februar besuchte der damalige sozialdemokratische Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier die Opel-Arbeiter und bekundete seine Solidarität. Merkel fühlte sich in Zugzwang, fuhr einen Monat später ebenfalls nach Rüsselsheim und war fortan in der Pflicht.
In einer dramatischen Nachtsitzung im Kanzleramt beschloss die große Koalition kurz vor Pfingsten den Deal mit dem österreichisch-kanadischen Autozulieferer Magna und dessen russischen Partnern. Bund und Länder bewilligten einen Überbrückungskredit von 1,5 Milliarden Euro, bei einer Übernahme sollten weitere 3 Milliarden Euro an Beihilfen fließen. Für den damaligen Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), der gegen die Subventionen protestierte, begann in jener Nacht der Aufstieg zu märchenhaften Popularitätswerten. Steinmeier hingegen, der Initiator der Rettungsaktion, stürzte in den Umfragen ab. Zwischen diesen beiden Polen war das Thema für Merkel neutralisiert.
Am Mittwoch überboten sich die beteiligten Politiker in Schimpftiraden über die amerikanischen Manager. Am lautesten die Ministerpräsidenten, in deren Ländern Opel Fabriken betreibt. Am allerlautesten Jürgen Rüttgers, der noch eine Wahl vor sich hat. "Dieses Verhalten zeigt das hässliche Gesicht des Turbokapitalismus", sagte der Mann, der gern den Arbeiterführer gibt und der jetzt das größte Problem hat. Bochum gilt als der unrentabelste der deutschen Standorte, und keine der betroffenen Regionen ist von Opel so abhängig wie das Ruhrgebiet.
Merkel selbst, die am frühen Mittwochmorgen wieder in Berlin eintraf, äußerte sich nicht vor Fernsehkameras. Über ihren Regierungssprecher ließ sie ausrichten, sie sei "verärgert". Mit dem Opel-Betriebsratschef Klaus Franz, der ursprünglich nur zum neuen Kanzleramtsminister Ronald Pofalla vorgelassen werden sollte, sprach sie dann doch persönlich. Konkrete Zusagen machte sie nicht, stellte aber ein Gespräch mit US-Präsident Barack Obama in Aussicht.
General Motors will nun den Überbrückungskredit zurückzahlen, der Ende November fällig wird. Ob der Konzern für eine Restrukturierung in Eigenregie ebenfalls staatliche Beihilfen erhält, hängt vom Sanierungskonzept ab. Aus Detroit verlauteten am Mittwoch noch keine Einzelheiten zu geplanten Werksschließungen oder dem Abbau von Arbeitsplätzen. Dass die Bundesregierung die Subventionen zuletzt an das Geschäft mit Magna knüpfte, hatte zu Nachfragen von EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes geführt.
Regierungsvertreter zeigten sich im Bezug auf staatliche Hilfen allerdings skeptisch. "GM hat mit seiner Entscheidung von gestern den Anspruch verbunden, dass man selber die finanzielle Stärke hat, für eine gute Zukunft von Opel zu sorgen", sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. Es stehe Opel wie jedem anderen Unternehmen frei, über den Deutschlandfonds staatliche Krisenhilfen zu beantragen.
Jetzt ist General Motors am Zug, wir haben damit nichts mehr zu tun: Das war, neben pflichtschuldiger Entrüstung, der Tenor aller Wortmeldungen aus dem Regierungslager. Es klang nicht so, als seien die Beteiligten zutiefst unglücklich über dieses Ende des einjährigen Wahlkampfdramas. Für eine Pleite des Magna-Modells wäre die Politik verantwortlich gewesen. Jetzt ist mit GM ein Schuldiger gefunden für alles, was bei Opel noch passieren mag.
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