Standort Ostdeutschland: Rassismus kommt teuer
Die Fremdenfeindlichkeit im Osten verschreckt Firmen. So genannte weiche Faktoren spielen bei der Standortwahl eine große Rolle.
BERLIN taz Wirtschaftsförderinstitute warnen davor, Gewalt gegen Ausländer zu bagatellisieren: "Für das Investitionsklima in Deutschland sind Vorkommnisse wie in Mügeln nicht förderlich", sagt Eva Henkel von "Invest in Germany". Die Gesellschaft unterstützt ausländische Firmen, die sich in Deutschland ansiedeln wollen. Zwar kenne sie keinen Fall, in dem sich Investoren gegen den Standort Deutschland entschieden haben, weil er ihnen zu ausländerfeindlich sei, doch spielten weiche Faktoren eine Rolle bei der Standortwahl: "Wenn ein Land als offen, tolerant und gastfreundlich wahrgenommen wird, kommen diese Eigenschaften dem Standort zugute und können bei einer knappen Entscheidung den Ausschlag geben."
Fremdenfeindlichkeit schadet dem Standort Ost, hat Kai Bussmann von der Universität Halle-Wittenberg herausgefunden. "Der Osten hat ein Imageproblem, die Unternehmen investieren zögerlicher als in den alten Bundesländern", sagt Bussmann, der 2004 die Studie "Fremdenfeindlichkeit und rechte Gewalt - Standortnachteil für die ostdeutsche Wirtschaft" durchgeführt hat. Gerade große Firmen mit multikultureller Belegschaft würden Fremdenfeindlichkeit fürchten. Und, dass fremdländisch aussehende Menschen in manchen Gegenden nicht sicher seien, wisse man inzwischen auch in Tokio.
14 Prozent der 600 befragten Unternehmen im Osten gaben an, dass sie Probleme hätten, Topleute zu bekommen, 12 Prozent erhielten sogar Absagen von begehrten Bewerbern, weil diese sich mit ihren Familien im Osten nicht sicher fühlen würden. Im Westen bekamen nur 4 Prozent der Firmen Absagen von Bewerbern, die sich vor rechter Gewalt fürchteten. "Das stört die Unternehmen im Osten gewaltig", sagt Markus Werle vom Economy und Crime Research Center Halle/Berlin. Vorfälle wie in Mügeln würden nicht nur der Region, sondern dem ganzen Osten schaden: "Von Indien aus gesehen, werden die neuen Bundesländer leicht als ein Gebiet wahrgenommen."
Private Unternehmen hatten die Studie bezahlt. Bussmann und Wehrle haben den Eindruck, dass die Politik kein Interesse daran habe, Fremdenfeindlichkeit zu thematisieren. Aber: "Der Reputationsschaden ist längst da."
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