■ Standbild: Muß ja nicht sein
„Gottschalk“,
Montag, 23.15Uhr, RTLplus
Flugs flitzen die Nachspanndaten über den Bildschirm, so daß nur ein Profiauge zu entziffern vermag: „Eine Sendung von Thomas Gottschalk und Holm Dressler“. So stand es geschrieben, die Instant-Replay-Technik bestätigt den Augenschein. Wenn sich dieser Satz auf die Urheberschaft des Konzepts beziehen sollte, muß der wachsame Kritiker mahnend den Zeigefinger erheben. In Amerika kennen selbst Florida-Senioren diese Sendeform aus frühesten Rundfunktagen unter dem Namen Variety Show.
Das Prinzip der Durchmischung mit Talk-Segmenten — das RTL-Presseinfo ist da ehrlich — stimmt teils mit der Johnny-Carson-Show „Tonight“ und der „Arsenio Hall Show“ überein. Amerikanisches Entertainment in deutscher Ausführung, das ist „Gottschalk“ — und der forsche Namensgeber wohl der einzige inländische Moderator, der über genügend Persönlichkeit für eine tägliche Sendung dieser Art verfügt.
Zugegeben, Dittmeyer hoffte schon im Vorfeld darauf, daß die erste Ausgabe nicht zur Einstiegsdroge werde für die folgenden. Schließlich ist es schon mühsam genug, allabendlich die Pflichtsendung „Eine schrecklich nette Familie“ weggucken zu müssen.
Glücklicherweise tat der blonde Lulatsch seinem Begutachter den Gefallen und lieferte ein von Werbung umrahmtes Mischprogramm, das ganz passabel unterhielt, aber auch ohne Bedauern verpaßt werden konnte.
Zweifellos war die „Wetten, daß?“-Manöverkritik des Triumvirats Frank Elstner, Wolfgang Lippert und Gottschalk ein gelungener Hattrick. Unerfreulich dagegen die unzureichenden Simultanübersetzungen bei Interviews mit ausländischen Gästen sowie Gottschalks Unvermögen, seinen GesprächspartnerInnen länger als zehn Sekunden zuzuhören. Während der unangenehm voyeuristischen Live-Schaltung ins Wohnzimmer einer komplett angetretenen Zuschauerfamilie (haben die jungen Leute heutzutage nichts anderes im Sinn, als mit ihren Eltern fernzusehen?) tippten die Finger des Skribenten bereits nervös auf der Fernbedienung herum.
Auch wenn damit Brechts Thesen vom sendenden Empfänger ansatzweise realisiert werden — man muß es nicht machen. Und das trifft auf die ganze Sendung zu: Kann man mal gucken. Muß aber nicht sein. Herr Dittmeyer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen