Standbild: Prima Betriebsklima
■ Linda de Mols "Kollegen, Kollegen", RTL plus
Linda de Mols „Kollegen, Kollegen“, RTLplus, 20.15Uhr
Wir sind diesmal in Bückeburg, In einer Firma für selbstklebende Folien. Bilder aus dem Arbeitsalltag, eingefangen von einer umherstreifenden Kamera. Da wird gerollt und geschnitten, geklebt und verpackt. Ja, so schön kann die Maloche sein. Und erst die „Kollegen, Kollegen“. Freundlich lachen sie ins Objektiv. Heiter und sonnig im Gemüt kommen sie frisch von der Arbeit direkt in die Fernseh- Show. Mit „Kollegen, Kollegen“ setzt RTLplus einen weiteren Markstein in der universalen tele-visuellen Durchdringung aller Lebensbereiche. Nach Sex und Liebe wird nun endlich auch die Arbeit unterhaltungsgerecht aufbereitet.
Schon das Show-Konzept ist mit grobem Werkzeug zusammengeschustert worden: vereinzelte Streiche mit versteckter Kamera, ein wenig Playback-Musike und ein paar Spielchen im Studio. Als Vorarbeiterin leitet Linda de Mol die „Kollegen, Kollegen“ durch die Schicht. Mit dem geschmacklichen Charme einer Holland-Gurke, der Ausstrahlung einer Barbie-Puppe und dem sanften Appeal einer Kindergärtnerin ist sie nach Wim Thoelke wohl das Nonplusultra an Allgemeinverträglichkeit, das derzeit im Show-Geschäft zu haben ist.
Inzwischen gehört das Moderatorinnenwunder aus den Niederlanden, das mit der RTL-Paarungsshow „Taumhochzeit“ direkt in die deutschen Zuschauerherzen einheiraten konnte, zu den neuen Großverdienern in der Branche. Mit der Produktionsfirma ihres Bruders kassiert sie allein für die „Traumhochzeit“ 70 Millionen im Jahr.
Doch zurück nach Bückeburg ins Reich der Klebefolien. Klar, wo schon die Folien kleben, da müssen auch die „Kollegen, Kollegen“ zusammenhalten. Die versteckte Kamera beweist es. Egal, welchen Fährnissen sie ausgesetzt werden, sie sind und bleiben ganz furchtbar gute Menschen. Das RTL-Team dekoriert mal kurz eine Fertigungshalle, nur um die versteckte Kamera dann drei Minuten auf das ach so verblüffte Gesicht des Foliengießers halten zu können. Eine Mitarbeiterin, die früher mal Profitänzerin werden wollte, darf auf der Bühne ganz spontan einen Mini-Steppkurs machen. Und im schlimmsten Fall kann es schon mal vorkommen, daß die „Kollegen, Kollegen“ ihren verehrten Chef in einem Ständchen lobpreisen. Ordnung muß schließlich sein.
Ja, „Kollegen, Kollegen“ zeigt, wie schön unsere Arbeit ist. Kein Staub, kein Schweiß, keine Ausbeutung, kein Mobbing. Nein, wir lieben uns doch alle. Auch den Chinesen, der vor zwölf Jahren nach Bückeburg geflüchtet ist, dort nun Folien schweißt und von Linda „ganz gut“ verstanden wird, obwohl sie ihn ständig für einen Vietnamesen hält. Ein RTL-Reporter war in Hongkong und hat mit den Verwandten gesprochen. Während der Film läuft, rinnen Herrn Fong im Fenster oben in der rechten Bildschirmecke die Tränen übers Gesicht. Ach — Rostock hin, Cottbus her — eigentlich sind wir doch alle „Kollegen, Kollegen“, das Leben ist eine Stechkarte und die Welt eine große Firma. Abspann. Martin Muser
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