piwik no script img

StandbildMehr davon!

■ "Schloß Hohenstein", ARD, 18.45 Uhr

„Schloß Hohenstein“, ARD, 18.45Uhr

Aber sicher, natürlich wollte Christinchen. Das hätten wir ihr auch nie verziehen, wenn sie nach all den Wirren Graf Gregors zarte Anfrage wg. Aufnahme einer ehelichen Paarungsgemeinschaft nicht mit „Ja!“ beantwortet hätte. Geschnackelt hatte es zwischen dem untadeligen Blaublüter und dem ehrlichen Mädchen schließlich schon in der ersten Folge. Bis zum Happy End mußte Christinchen denn doch noch einen ganzen Schwung langer Romantik-Kleider (die Sorte, wie sie Mitte der Siebziger zusammen mit fruchtigen Teemischungen auf den Markt kamen) auftragen, Tunichtgut Graf Arno die Dienstbotentochter schwängern, Graf Gregor grübelnd am Schreibtisch sitzen, Christines Verehrer als Blutsverwandter enttarnt werden und vor allem Graf Gregors Gattin Leonore aus der ehelichen Bettstatt geworfen werden. Was, gottlob, die intrigante Baronesse Elsa besorgte, indem sie ihr die Luft abdrehte. Daß sie für diesen heimtückischen Mord nicht bestraft wurde (und das im Vorabendprogramm), müßte eigentlich Frau Merkel auf den Plan rufen, war aber irgendwie schon in Ordnung.

„Schloß Hohenstein“, das war Fernsehen von einem anderen Stern. Und mehr noch, just zu einer Zeit, wo sich die Nation an der Bellheimschen Rentner- Konfektion ergötzte, wurde hier in der vollharmonisierten ARD-Werbeblock-Dekoration innovatives, zukunftsweisendes Fernsehen demonstriert. Natürlich werden kritische Geister wieder behaupten, dieser „Hyper-Kitsch“ habe nun überhaupt nichts mit dem wirklichen Leben, schon gar nicht dem eines Fließbandarbeiters zu tun gehabt, und auch „formal“ sei das doch recht anspruchslos dahergekommen.

Ist ja wahrscheinlich auch richtig, daß Adorno damit nicht glücklich gewesen wäre, aber die Qualität dieses Blaublut-Fegers lag doch eindeutig in der bewundernswerten Konsequenz, mit der hier erstmals (von Karl Moik mal abgesehen) ein Produkt auf den Schirm geworfen wurde, bei dem „Original“ und Parodie nicht mehr zu unterscheiden waren. Und so etwas bringt nicht nur Quote, sondern führt auch Familien wieder zusammen. Wann, bitteschön, hat es so etwas daheim an den Geräten zuletzt gegeben? Hubert von Hottenstein

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen