Standbild: Tägl. Wahnsinn
■ „Wie bitte?“, RTL, Fr., 22.15 Uhr
Mögen Sie kleine Buchstabenhäufchen wie „Vollstreckungsankündigung“ oder „Gesamtgebühreneintrag“? Haben Sie getestet, was passiert, wenn man zu Wendezeiten einen „Antrag auf Genehmigung zur Einfuhr eines Kraftfahrzeuges“ aus der DDR stellt? Können Sie sich vorstellen, Ihr Motorrad mit der Bundesbahn zu transportieren, obwohl es laut DB doch „wegen seines eigenen Gewichtes und auch wegen der räumlichen Nähe zu anderen Beförderungsgütern im Güterwagen den beim Eisenbahntransport auftretenden gewöhnlichen Gefahren besonders ausgesetzt“ ist – was einen entstandenen Sachschaden von knapp 3.000 Mark ja locker erklärt? Dann sind Sie vielleicht ein Fall für „Wie bitte?“, die kümmern sich um so was.
Wie bitte? Eine Sendung, die verspricht, sich ganz den großen Problemen des kleinen Mannes zu widmen? „Bild kämpft für Sie“ à la RTL? Das muß ja grauenhaft sein! Nicht ganz. Denn zunächst einmal kann es nicht schaden, wenn Ärgernisse wie Versicherungen oder die Telekom, die in der Sendung die Hauptrolle spielen, öffentlich verspottet und bloßgestellt werden. Und die populistische Anbiederung beim Zuschauer, die das natürlich auch bedeutet, wird dadurch gemildert, daß „Wie bitte?!“ konsequent das Reality-Prinzip verneint. Die Geschichten werden nicht vor Ort gefilmt oder aufwendig nachgestellt, sondern im Studio von vier Schauspielern nachgesprochen. Das hat zwar manchmal Radio-Charakter, in den besten Momenten erreichen die hervorragenden Akteure um Siegfried W. Kernen aber Kabarett-Qualitäten.
Diese Kunstform erspart dem Zuschauer den Anblick stammelnder Betroffener und faselnder Verantwortlicher. Und sie ist ein Eingeständnis, daß das Hauptziel der Sendung nicht ist, selbstlos eine Lanze für die entrechteten Bürger zu brechen, sondern die Zuschauer zu unterhalten. Stefan Niggemeier
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