■ Standbild: Toter Mann im Mond
„Aus der Hölle zu den Sternen“, Do., 23.20 Uhr, ARD
Zunächst das bislang Bekannte: Die Raketenstadt Peenemünde wurde rasch zerbombt. Diejenigen V2-Raketen („Vergeltungswaffe“), die bis Kriegsende auf London niedergingen, stammten aus Nordhausen, wo die Nazis durch Zwangsarbeiter des Konzentrationslagers „Dora“ zwei gigantische Tunnel in den Stein hatten meißeln lassen.
In seiner Dokumentation verwendet Jürgen Ast bislang noch nicht oder selten gesehenes Bildmaterial, um dem Nachkriegs- Raketentechnik-Transfer, der hauptsächlich Richtung USA stattfand, einige neue, interessante Aspekte abzugewinnen.
Die unterirdische Raketen- Produktion Nordhausen lag bei Kriegsende auf dem Gebiet der SBZ. Als die Russen dort eintrafen, hatten die Amerikaner zwei Monate Zeit gehabt, um unzerstörte Raketen, Produktionsstraßen sowie die erforderlichen Ingenieure – das von-Braun-Team – abzutransportieren. Die Amis hatten den Russen nur unverwertbaren Schrott zurückgelassen, scheinbar.
Die nicht unwesentliche Frage, warum die Russen mit diesem Schrott und ohne die V2-Brainheads trotzdem vor den USA ihren Sputnik in die Umlaufbahn brachten, hat bislang offenbar niemand gestellt. Anhand vielfältigen Materials aus sowjetischen Quellen, aber auch aus Interviews mit noch lebenden Raketentechnikern wird klar, daß die Amis nur die „Spitzenkräfte“ abgegriffen hatten. All die kleinen Techniker, die die eigentliche Arbeit an der V2 verrichtet hatten, blieben zurück. Mit ihnen holten die Sowjets den Vorsprung rasch auf.
Bei diesen komplexen Rekonstruktionen kommt Jürgen Ast immer wieder auf Nordhausen zurück. Er betont, daß beim Bau der V2, der mit Arbeitern des KZs „Dora“ bewerkstelligt wurde, mehr Menschen ermordet wurden als durch die eigentliche Detonation der Rakete in London.
Ausgehend von dieser „Zahl“, verfolgt Ast die Spur dann in den USA. Als die Russen in den Orbit vorstießen, wurden die Amis hysterisch. Ihre Versuche, ohne die Deutschen ins All zu kommen, scheiterten kläglich. Also wurden die potenten deutschen SS-Raketencracks rehabilitiert, ihre Nazi-Vergangenheit vertuscht.
Dank Wernher von Brauns Hilfe ist der Mond ein Amerikaner. Aber es liegen dort oben KZ-Opfer. Mit einem guten Fernrohr kann man den toten Mann im Mond sehen. Asts Film ist ein solches Fernrohr. Manfred Riepe
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen