■ Standbild: Landliebe
„Abenteuer vor der Haustür“, Montag, 15.25 Uhr, ZDF
Richtig, Rüdiger Nehberg ist der, der so gerne Regenwürmer ißt. Deswegen darf auch im Trailer seiner „Abenteuer vor der Haustür“ die Sequenz nicht fehlen, in der der Überlebens-Fetischist eine Handvoll der glitschig sich windenden Weichtiere verschlingt. Der zivilisationsmüde Survival-Artist erklärt einer Gruppe von Kindern seine Tricks. Feuer machen ohne Streichhölzer und Brücken bauen ohne Ingenieure. Der Inhalt eines Überlebensgürtels: Alles wie bei „Rambo“...
In Form einer zwanzigteiligen Reihe ist diese erheiternde Bebilderung archaischer Überlebenspraktiken kein Bericht mehr über einen kauzigen Einzelgänger. Zumal die Anwesenheit lernbegieriger Kids dieser hausgemachten Exotik einen didaktischen Rahmen setzt. Hier werden Werte vermittelt: Du mußt nicht zu Aldi gehen, die Natur hält alles für dich parat.
Unfreiwillig komisch daran ist, daß der Pfadfinder im Zeitalter der technisch reproduzierten Natur ein Abziehbild der Werbebranche ist. Ob „Landliebe“- Joghurt oder Eier von freilaufenden Hühnern: Die Botschaft lautet: Natur ist gut, und Zivilisation macht krank. Deswegen kaufen zu leidenschaftlichen Hypochondern erzogene Konsumenten „die Natur“, um sich sich vor „der Zivilisation“ zu schützen. Gemäß dem Titel der Sendung können wir ebensogut „vor die Haustür“ gehen, wo wir nicht etwa die Pendler der Farbwerke Hoechst antreffen, sondern dekorative Wälder und Teiche, bei denen man, wie der Film zeigt, eine schmackhafte grüne Schleimschicht abessen kann. Garantiert natürlich – sofern hier niemand alte Autoreifen und Ölöfen entsorgt hat.
Ein Überlebenstrainings- Kurs über das Fälschen von Telefonkarten, das Einhacken in den Sparkassencomputer oder das Basteln eines „premiere“-Decoders aus Transistorradios wäre aus heutiger Sicht eher im Geiste Jean Jacques Rousseaus. Die Gewächshaus-Romantik dieser Fünf-Minuten-Natur-Terrine „Abenteuer vor der Haustür“ ist folglich ein Anachronismus. Zwar essen wir Regenwürmer tatsächlich lieber als „Big Macs“. Aber der edle Wilde baut heutzutage keine Blockhütte im Stadtpark; er ist eher ein Cyberpunk. Selbst wenn wir uns tatsächlich einmal im Dschungel verlaufen, so benötigen wir Nehbergs Survival-Tricks immer noch nicht. Wie Monty Python's müssen wir dann nur zu dem Kamerateam gehen, das uns filmt, während wir uns verlaufen. Manfred Riepe
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