■ Standbild: Beiß doch!
Michael Hammons „Auf den Spuren der Trekker“, Do., arte, 22.40 Uhr
Elend und Gewalt, Krieger, Opfer – wenn über Südafrika berichtet wird, ist meist schwarz- weiße Polit-Action angesagt. Blutige Demonstrationen, Floskeln – auf all jene Nachrichten- Rituale verzichtet der gebürtige Südafrikaner Michael Hammon („Wheels & Deals“) bei seiner Expedition in die Kap-Provinz. Der frühere Berliner Filmhochschüler schickt für seinen Film keine investigative Wackelkamera in die Welt der weißen Farmer, um sie in ein trübes Licht zu setzen, dahin bringen sich die Interviewten in aller Offenheit gleich selbst. So gelingt dem Dokumentaristen mit einfachen, diskreten Mitteln dennoch ein starker, pointierter Film, eine genau beobachtende Reise. Je tiefer sie ins Landesinnere führt, desto komplexer erscheinen Angst und Ahnungslosigkeit, Haß, Hoffnung, sektiererische Verblendung.
„Ein Kaffer ist ein Tier“, glaubt eine bibelfeste Burin; ein Teenager verdreht einfach den Konflikt: „Die Schwarzen wollen das Land nicht mit uns teilen.“ Derlei Äußerungen erfährt Hammon in Plaudereien auf afrikaans.
Lächelnd scheint er hinter der Kamera zu stehen und zu sagen: Beiß doch! So blickt er hinter den eisernen Vorhang der (einst) geschlossenen Gesellschaft – und auch auf die jetzt offen zutage tretenden krassen ökonomischen Unterschiede bei den Buren, die ihre einstigen Herrenmenschen-Ideale nun als billige Rassistenwitze und bittere Wut verbreiten.
Die Stimmung scheint demzufolge keineswegs so gut zu sein, wie sie de Klerk und der jetzt beschlossene Übergangsrat der Öffentlichkeit suggerieren. Den Hardlinern aller Generationen stehen außerhalb der Metropolen offenbar nur wenige zaghafte Stimmen der Vernunft gegenüber: „Man könnte optimistisch sein, aber was soll's.“ Soviel komplexe, widersprüchliche Einblicke hatte der Titel gar nicht versprochen, der eher eine bitterböse Legenden-Abrechnung mit den „Voortrekkern“ erwarten ließ.
Erfreulicherweise hat sich Hammon weder um Berührungsängste noch um langatmige Geschichtslektionen geschert. Geduldig, einfühlsam und neugierig fügt er den Scherbenhaufen maroder Mythen noch einmal zusammen. Gerade diese Tugenden verleihen dem Stück Schärfe und Brisanz. Dieter Deul
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