piwik no script img

■ StandbildEs menschelet in Afrika

„Boulevard Bio“: Afrikanischer Adel heute, Dienstag, ARD, 23.00 Uhr

Armer Cephas Bensah! Er hat schon mehr deutsche Talk- Shows besucht, als sich ein vernünftiger Mensch in einem ganzen Jahr ansehen kann. Von „Explosiv“ bis zu „Gottschalk“ wurde er herumgereicht, und alles nur, weil der aus Ghana eingewanderte KFZ-Meister zum König eines afrikanischen Stammes gemacht worden ist.

Nun war Bensah nach etwa zehn TV-Auftritten auch noch an der Endstation, pardon, auf dem „Boulevard Bio“ gelandet – zusammen mit drei weiteren afrikanischen Majestäten. Denn der immer für freakig anzusehende Minderheiten und TV-kompatible Randgruppen unserer Gesellschaft offene Showmaster hatte diese Woche (nach Neonazis, die ihre Schwestern lieben, und Hausfrauen, die von einem Außerirdischen angemacht wurden) mal wieder ein besonders schrilles Thema im Angebot: afrikanischer Adel heute!!!

Leider kann man nicht behaupten, daß Alfred Bioleks Moderation durch solide Vorbereitung oder bemerkenswerte Einsicht in die Materie auffiel. Die Namen seiner Gäste kamen ihm, wenn überhaupt, nur schwer über die Lippen. Und bei deutschen Adeligen wären wohl auch die Fragen ein bißchen anders ausgefallen: „Ein ganz schwieriges Fach“ studiere er da, erfuhr Pädagogikstudent und Prinz Charles Morfaw aus Kamerun, bevor Bio dann wissen wollte, was Deutsche an Afrikanern immer am meisten interessiert: „Wollen Sie zurück?“ Und – na so was – er will!

Es sind halt doch „ganz andere Formen des Lebens“ in Afrika, wie der Moderator kurz darauf konstatieren mußte: „Fassungslos“ stehen wir Europäer vor deren Sitten – „aber interessant ist es schon“.

Ja, peinlich war es schon. Doch wie sagt – laut Alfred Biolek – der Schwabe? „Es menschelet überall – sogar in Afrika.“

Wir hätten da eine Idee für eine noch viel interessantere Show: Könnten im deutschen Fernsehen nicht einmal afrikanische Talk-Master dubiose Gestalten wie Gloria von Thurn und Taxis oder vorbestrafte Wirtschaftskriminelle wie Otto „Graf“ Lambsdorff über die seltsamen Sitten und Gebräuche des deutschen Adels befragen? Interessant wäre das schon... Tilman Baumgärtel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen