■ Standbild: Desinformationsoffensive
„Achtzehn30 – Das Telefon- Thema“, RTL, täglich 18.30 bis 18.45 Uhr
Maxim Biller hat mal geschrieben, das Beste an den Zeiten ohne Kommerzfernsehen sei gewesen, daß damals Taxifahrer und Hausmeister nichts im Fernsehen zu sagen hatten. Das hat sich mittlerweile gründlich geändert. Der neueste Tiefpunkt einer scheinbar endlosen Talfahrt ist die RTL-Telefon-Show „Achtzehn30“, bei der auch dem Trash-TV-Connaisseur das Lachen vergeht. Einmal täglich darf sich Volkes Stimme zu angeblich aktuellen Fragen das Maul zerreißen, diesmal zu dem Stammtisch-Thema schlechthin: die faulen Beamten.
Moderiert wird der populistische Dämmerschoppen von Joachim Steinhöfel, der übrigens Anfang der achtziger Jahre seine Karriere bei der linken Musikzeitschrift Sounds begonnen hat. Steinhöfel, dessen maliziöses Grinsen leider nicht verrät, wann er seither seine Seele an den Teufel verkauft hat, stolziert mit einem Stöckchen (oder ist das ein Golfschläger?) in der Hand durch das halbdunkle Studio und fertigt in einer knappen Viertelstunde zwölf AnruferInnen ab. Die schweigende Mehrheit am TV-Telefon will den arbeitsscheuen Beamten wahlweise die Bezüge kürzen oder sie in ihren Amtsstuben verprügeln. Und warum kocht der Volkszorn? Eine verhinderte Blockwartin hat 1984 im Arbeitsamt von Heilbronn „in einem Büro im dritten Stück“ einen Beamten beim Kaffeetrinken ertappt, der angeblich in einer Besprechung war. Außerdem müßten Beamte ja keine Steuern zahlen... Soviel zum Thema „Informationsoffensive auf RTL“.
Herrn Steinhöfel sollte man übrigens im Gegensatz zu seiner schwachsinnigen Sendung im Auge behalten: Bei der „Achtzehn30“ sehr ähnlichen Bierzelt- Brüllshow „Jetzt red i“ des Bayerischen Rundfunks hat einst einer der finstersten Demagogen Deutschlands sein Handwerk gelernt: Franz Schönhuber. Tilman Baumgärtel
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