Standbild: Überzogen
■ "Aspekte extra: Die Medienrevolution"
„Aspekte extra: Die Medienrevolution“, Di., 22.15 Uhr
Werden wir alle bald zu unseren eigenen Programmdirektoren? In Interviews mit Schlüsselfiguren der US-Medienszene entwarfen die „aspekte“-Autoren Bernhard von Dadelsen und Hans Jörg Hämmerling ein Bild von der „Informationsgesellschaft“, wie sie sich die Clinton- Administration vorstellt: Geplant von der Regierung und finanziert von privaten Investoren soll der nordamerikanische Kontinent von Glasfaserkabeln überzogen werden: sogenannte data highways, auf denen immense Datenmengen transportiert werden können.
Aus jedem Fernseher soll ein interaktives Terminal werden, über das die Zuschauer Waren bestellen und Informationen austauschen können. Der Film zeigte einige beispielhafte Experimente: interaktives Teleshopping und Filmbestellungen per Fernbedienung. Da offenbar Unmengen von Material auf eine halbe Stunde komprimiert werden mußten, blieb allerdings vieles oberflächlich.
Eher flüchtig wiesen die Autoren am Schluß auch noch auf mögliche Gefahren des neuen TVs hin: Der Schutz der Privatsphäre sei nicht gesichert, die Datenhighways könnten auch Glücksspiele, Konsum-Overkill und Pornos transportieren. Flotte Sprüche wie „Teleshopping ist die ehrlichste Form von Fernsehen“ haben freilich in einer Sendung des öffentlich- rechtlichen Fernsehens, die sich selbst von einem Kaffee-Hersteller sponsern lassen muß, einen etwas selbstquälerischen Unterton.
Die Berichterstattung über interaktives Fernsehen, Multimedia und die vielzitierten 500 Fernsehkanäle ist mittlerweile zum Selbstläufer geworden. Dabei ist Zukunft keineswegs so nah, wie es scheint: Zwar fabuliert der Präsident von Time Warner noch von dem „glücklichsten Konsumenten“, den das Multimedia-Zeitalter hervorbringen werde. Aber inzwischen hat der Medienkonzern einen Großversuch mit interaktivem TV in Orlando auf Eis gelegt. Bislang funktionierte nicht mal die simpelste Software. Tilman Baumgärtel
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