■ Standbild: Komisch p.c.
„...nicht mehr heimisch in der Welt“, Mi., 22.15 Uhr, ZDF
Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: Folter gehört fraglos zum Übelsten, was Menschen auf diesem Erdball widerfahren kann. Helfer, die diesen geschundenen Opfern beizustehen versuchen, verdienen höchste Anerkennung. Und wahrscheinlich muß man auch Hans-Dieter Grabe, seit seinen Vietnam-Filmen aus den Siebzigern eine Institution des deutschen Doku-Films, unterstellen, daß er hier Gutes im Schilde führte.
Da darf eine Dokumentation über Folteropfer bzw. über ein auf sie spezialisiertes Behandlungszentrum in ihren filmischen Mitteln sogar bescheiden daherkommen. Aber daß sie nicht vor unfreiwilliger Komik strotzen sollte, müßte eigentlich schon der Respekt vor den Opfern gebieten. Groteske Simulationen von pseudo-authentischer Spontaneität zwischen Therapeuten und Patienten („Sie waren gerade bei Alexandra in der Sportgruppe. War es gut?“) wechselten nahtlos mit hanebüchenen Dialogen zwischen Helfern und (unsichtbarem) Filmemacher. Therapeut: „Ich möchte was über einen Patienten aus Sri Lanka erzählen...“ Grabe: „Den Sie gerade begrüßt haben?“ Ja, wen denn sonst? Schließlich hatten wir der Begrüßung zuvor ausführlich beiwohnen können.
Gravierender als solche Lächerlichkeiten war indes der Umstand, daß während des gesamten Films im dunkeln blieb, warum hier nur Helfer über Gefolterte redeten, während diese selbst einzig bei therapeutischen Übungen aller Art zu sehen waren. Zwar gab es in einem Fall den Hinweis, daß das Gesicht des Opfers nicht gezeigt werden könne, weil es auch in Deutschland nicht vor Verfolgung sicher sei, doch bei allen anderen Personen blieb unklar, warum sie nicht selbst zur Sprache kamen.
Schlimmer noch: Die Dokumentation gestand ihnen noch nicht einmal Namen zu. Und so etwas wie eine Geschichte jenseits der erlittenen Torturen fand ebensowenig Erwähnung wie ihre aktuellen Lebensumstände außerhalb der Therapie. Wahrung der Anonymität kann kaum der Grund gewesen sein. Schließlich zeigte die Kamera keinerlei Skrupel, ihnen bei ihren therapeutischen Maßnahmen mit albernen (Untersicht) bis respektlosen Close-ups zu Leibe zu rücken. Entpersönlichung mag eine wesentliche Folge der Folter sein. Aber diese derart unbedarft fortzuschreiben, ist schon ein starkes Stück. Reinhard Lüke
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen