■ Standbild: Am Stammtisch
„Farbe bekennen. Helmut Kohl im Gespräch“, Donnerstag, 22.00 Uhr, ARD
Das Leben ist eben eine Gemengelage: „Am Morgen haben Sie Streit mit Ihrer Frau, Sie treffen Ihren Chef, das Wetter ist, wie's ist, wir können uns das Leben nicht aussuchen, die Völker nicht aussuchen, auch nicht die Deutschen.“ So einfach ist Politik. Währungsturbulenzen? Die Exportwirtschaft jammert über den schwachen Dollar? Die „würden sich mit nahezu den gleichen Worten über eine starke D-Mark beschweren.“ Der Zeitgeist sagt doch immer, das Glas ist halb leer, wenn es halb voll ist.
Ein Kanzlerinterview im Urlaub, der Dorfgasthof von Bad Hofgastein gibt in der Tat eine angemessene Kulisse ab. Helmut Kohl hält Rückschau, denn Zukunft ist für ihn lediglich die Fortsetzung der Historie. Wer hätte vor ein paar Jahren gedacht, doziert er, daß heute auch Österreich zur EU gehören würde? Europa in der Sackgasse, wie Biedenkopf meint? Europa ist doch da. Nein, von entscheidenden Weichenstellungen ist nicht die Rede, er weiß, bis zur Jahrtausendwende haben wir „fünf gute Jahre, wenn wir wollen, wir müssen nur die Ärmel hochkrempeln“.
Von den Volksweisheiten bringen ihn auch die beiden Frager nicht weg, die mit ihm am Stammtisch sitzen dürfen. Gerhard Fuchs und Sigmund Gottlieb vom Bayerischen Rundfunk spielen ihre Rolle nicht schecht. Sie geben sich nicht so devot wie Kollege Mertes, unterbrechen den Kanzler schon mal im Monolog. Doch ändern tut das nichts, ihre bieder-konventionellen Fragen werden mit gewohnter Mischung aus Überheblichkeit, Bauernregeln und den bekannten kurzen Merksätzen pariert. Zu fürchten brauchte er nur Frager aus zakigem Milieu. Und die wird er auch künftig nicht an sich ranlassen. Michael Rediske
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