■ Standbild: Zwei Welten
Themenabend Zirkus, Donnerstag, 20.40 Uhr, arte
Ein Zirkus kam in die Stadt. Zwei Dromedare, zwei Clowns, eine Heimorgel. Wer wollte, kriegte Poesie, wer wollte, kriegte Tristesse. Mit fadenscheinigem Chapeau stand der Direktor vor den halbleeren Rängen. „Das Fernsehen“, sagte er. „Keiner geht in den Zirkus, weil es das Fernsehen gibt.“
Am Donnerstag ging das Fernsehen in die Manege. Wer wollte, kriegte auch Poesie: Eine alte Frau putzt die Manege nach der Schlacht. Das Lampenfieber des Magiers vor der Schlacht. Artistik-Arbeit der Zirkuskinder vor der Karriere. Schöne, lange, monochrom-blaue Bilder mit entspannter Dramatik: hinter den Kulissen.
„Zirkus“, sagt der Artist, „ist die Versuchung eines Menschen vor den Augen des Publikums.“ Aber was ist eine Versuchung auf dem Platz der 100 Morde pro Woche? Wenn Magnetaufzeichnung die Manege Welt auf Wohnzimmerformat eindampft, kann sie Farbe bringen, Spannung konstruieren – aber Zirkus?
Zirkus lebt, wenn man den Schweiß beinahe noch riechen kann, wenn man hoffen muß und fürchten darf, vielleicht das Blut noch zu sehen, doch zumindest das Versagen, das taumelt im Netz. Zirkus muß allem Leben Kunst einhauchen. Fernsehen strebt, allen Bildern und Montagen Leben einzuhauchen. Die Doku versucht, einer Kollision der Strategien der Traumproduktion aus dem Weg zu gehen: Lange/ kurze Schnittfolgen alterieren, so viele Kameras wie Augen liefern sie. Mal gelingt's, mal landet es im Netz.
„Die Hände“, sagt ein Artist, „sind wie eine Art Übersetzung. Durch sie überträgt der Trapezkünstler seine Seele auf das Trapez.“ Wie überträgt man sie weiter? Sind wirklich Ränge deshalb leer, weil sie aus dem Bildschirm kommt? Lutz Meier
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