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■ StandbildBesinnlich fragen

„Achtung! Lebende Tiere“, Mi., 21 Uhr, ZDF

Wissen Sie, wie man ein Angorakaninchen rupft? Es wird vom Züchter an den Hinterbeinen gefesselt und mit Hilfe eines Schermessers von Hand gehäutet. Das weiche Fell läßt sich nicht gleich an allen Stellen lösen, hier und da kommt es zu Schnittverletzungen. Dem nackten Kaninchen wird anschließend ein Wollmäntelchen angezogen, ohne das es erfrieren würde. In freier Natur wäre es nicht lebensfähig. Das Fell des hochgezüchteten Tieres würde verdrecken und verfilzen.

In sechs Einspielbeiträgen und zwei Expertenrunden wurde das Thema Tierquälerei in dem ZDF-Schwerpunkt „Gewaltmenschen“ abgehandelt. „Ich kann 'ne Bestie werden“, bestätigte ein junger Vater, der eine Katze in der Waschmaschine malträtiert hatte. Reue? Ja, nein – ein bißchen Stolz auf die Tat, für die er zu acht Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt wurde, ist spürbar. Er hofft, daß sein Sohn einmal liebevoller mit Tieren umgehen wird. Ein anderer hat eine Katze mit bloßen Händen erwürgt. Der Film zeigt den Tierfreund, der er ist, vorm Aquarium. Die meisten Täter sind männlich, zwischen 13 und 18 und handeln unter Alkoholeinfluß.

„Wird Tierquälerei zum Sport?“ fragt Moderatorin Petra Gerster im Tonfall der „Immer- mehr-und-immer-schlimmer- Rhetorik“. Auch im weiteren Verlauf wird viel gefragt: Warum jagt der Mensch? Ist Jagd Aggressivität? Befinden wir uns emotional noch in der Steinzeit?

Was als Bestandsaufnahme zur Tierquälerei beginnt, gerät zur Besinnungsstunde über die dunklen Mächte, die die menschliche Seele überkommen können. Ein Psychologie spricht von Frustrations- und Ohnmachtsgefühlen, die auf das Tier übertragen werden.

Einmal zeigt die Kamera die abgebissenen Fingerkuppen eines Tierschänders. Die Zwänge der technischen Zivilisation in Verbindung mit zunehmender Sensibilisierung, meint der Theologe, führen zu brutalen Ausbrüchen des anderen. Was hier betrieben wird, ist Zivilisationskritik. Trophäenjagd in Afrika, Schweinesterilisation in Frankreich und nächtlicher Vandalismus im Tierheim verraten wenig über den Straftatbestand Tierquälerei, sie beschwören ihn. Eine Fernsehstunde über das Böse der Kultur. Genaueres über das Verhältnis von Mensch und Tier möchte man da gar nicht wissen. Harry Nutt

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