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■ StandbildStreitkulturgipfel

„Signale: Mediation als Hilfe“, 21.45 Uhr, West3

Manchmal sitzt man müde vor dem Fernseher und wackelt mit den Augenlidern. Botho Strauß nennt so was „Dämmern“. In einem solchen Zustand kann einen ziemlich was „anfliegen“. Zum Beispiel das Wort „Mediator“. Nie gehört, nie gegessen.

Gute, alte Lexika verweisen auf einen Herrn Mittler (lat.: mediator) aus Goethes „Wahlverwandtschaften“. Der ritt viel in der Gegend herum, um die Ehen im Land zu kitten. Sein Credo: „Die Ehe ist der Anfang und der Gipfel aller Kultur.“

Doch die Mediatoren in der „Signal“-Sendung von Sabine Zurmühl hatten anderes im Sinn. Zwar sind auch sie juristisch wohlgebildet. Auch sie sitzen bei Ehepaaren auf dem Sofa herum und wollen ihnen den Zankapfel aus dem Hals klopfen. Aber sie wollen nichts kitten. Der Mittler als Kulturmissionar von heute will, daß sich die Paare gütlich scheiden lassen, sich außergerichtlich einigen – und damit Geld sparen. Nur er selbst verdient dabei ein hübsches Sümmchen.

Sabine Zurmühl ging es aber nicht um das leidige Gewinnstreben ihrer Mediatoren. Sie zeigte sich einfach nur fasziniert von den einfühlsamen Gesprächen der Mediatoren mit ihrer Klientel. Beispielsweise von dem Scheidungspaar, das sich früher noch die Tassen an den Kopf warf. Nun bemühen sich die beiden, dem Mittler sei Dank, auch das Gute in ihren langen Ehejahren zu sehen, das Hilfreiche und Gemeinsame. Und die vielen Einblendungen von ein paar zittrigen Kinderzeilen aus einem Schulaufsatz machten es jedem deutlich: Die Scheidenden sollen endlich aufhören, sich gegenseitig „herabzuwürdigen“. Stil tut not, Kultur im Umgang miteinander. Manche lernen es eben etwas später. Marcus Hertneck

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