■ Standbild: Sinnstiftender Bildersturm
„Best of Zapping '95“, Freitag 19.30 Uhr, Premiere
Schon Shakespeare wußte von der Erhabenheit des Zapping: „Komme, was kommen mag“, schrieb er seinem Macbeth auf die Lippen, und dann kam, was Shakespeare mochte: Macbeth wurde König.
Und so ist auch der Zapper eine Art kommender Herrscher. In den Sekunden, in denen er den Bildschirm wackeln läßt und von einem Programm zum nächsten hopst, setzt er die Bilder nämlich neu zusammen. Flugzeuge landen in der Wüste, Hans Meiser frißt kleine Kinder, und Bogart spielt den Hengst im deutschen Heimatfilm. Das ist Macht! Und dieser alltägliche Bildersturm stiftet keineswegs nur Unsinn.
„Zapp-TV“ lehrt die Zuschauer, neue Zusammenhänge zu sehen. Vielen gilt die Sendung noch immer als eine Art „Pleiten, Pech und Pannen“-Parade für das Videokid von heute. Im rasanten Zusammenschnitt verhaspeln sich dort Tagesschausprecher, Talkmaster lachen an der falschen Stelle, und der Börsenbericht bringt das Wetter. Das ist aber nicht immer nur lustig.
Denn „Zapp-TV“ will mehr. In seinen „Highlights 95“, einem Zusammenschnitt der zappigsten Zapps des vergangenen Jahres, wurde uns zum Beispiel Roman Herzog als trauriger Präsident vorgestellt. Wie die Tagesthemen zeigten, mußte er sich weiland in Südbrasilien die DDR-Hymne anhören. Dann wurde aber ein gut dressierter Hund gezeigt, der die bundesdeutsche Hymne sogar kläffen kann, und im Anschluß pries ein Sprecher die allgemeine „Sympathie mit der tierischen Intelligenz“. Aus diesen drei Zapps ließe sich also schließen: Herzog ist traurig unter den Menschen und wäre am liebsten der Präsident dressierter Tiere.
Auch ein Sardellenschwarm wurde zur Metapher für sein deutsches Volk. Wie ein weiterer Tierfilm zeigte, lassen sich die braven Fische gern von der Strömung an die Küste drücken – dicken Raubfischen direkt ins Maul. So ist das in Herzog-Deutschland – wer mit der Strömung schwimmt, der wird gefressen.
Oder der Zapp in ein Bärbel- Schäfer-Interview. Sie lachte gerade einen jungen Mann aus, der blaß und schüchtern anfragen ließ, ob das alles nicht ein gigantischer Witz sei, den wir da leben. Im Kontext von Zapp-TV wirkte der Wirrkopf wie ein weiser Mann – und Bärbel Schäfer wie ein Witz. So einfach lassen sich die Dinge umkehren. Zapp! – und schon kommt die Welt wieder ins Lot ... Marcus Hertneck
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