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■ StandbildKommissar Komparse

„Tatort: Das Mädchen mit der Puppe“, ARD, So., 20.15 Uhr.

Der Mann hat mit Fassbinder gedreht, mit Andy Warhol und mit Madonna. Damit hatte Udo Kier zweifellos das richtige Kaliber, um gegen Kommissar Flemming anzutreten. Kier machte uns also den Bösen – und wie! Kampfköter auf der Dachterrasse, Leibwächter mit herausgeschnittener Zunge, Büro auf Rädern – alles, was man verlangt, um einen fiesen, aber modernen Menschenhändler („Ich nehme keine Tschechen“) darzustellen. Seine minderjährigen Opfer nennen ihn ehrfürchtig den „Rattenkönig“, denn „er ist mächtig, er ist grausam, alle leben von ihm“.

Mächtig dick aufgetragen, denn eigentlich war man ja bis dahin der Meinung, daß Martin Lüttge und Roswitha Schreiner einen „Tatort“ ganz gut alleine tragen können. Die Bösewichter waren nicht so wichtig, sie werden eh am Ende geschnappt, aber zwischen Lüttge und Schreiner menschelte es immer so schön, sie hatten auch private Probleme und Problemchen, genauso wie „richtige“ Menschen. Diesmal nicht. Diesmal waren sie nicht einmal die Hauptdarsteller. Das war der Bruder des gemeuchelten Kroaten-Mädchens. Er war James-Bond-mäßig als Racheengel unterwegs, brach mal eben mit einer Kerze in die Pathologie ein, um von seiner Schwester Abschied zu nehmen und sagte Sätze wie „bei uns ist Krieg wie Schule, wenn vorbei, man hat Zeugnis für alles“. Krieg als Schule des Lebens? Während man noch darüber nachdachte, ging die Logik endgültig den Bach runter. Der Rächer hatte alles dabei, was er für seinen Job braucht, inklusive einer kompletten Ausrüstung zum Anzapfen von Telefonen und einer Handgranate. Nicht einmal eine halbgare Erklärung, wo er das alles her hatte oder wie er innerhalb von einer Minute den Telefonkasten in einem ihm völlig unbekannten Haus finden konnte.

Ein Mann für die Telecom. Aber nicht für einen „Tatort“. Denn diese Art von „Supermännern“, die auch mit einem zerquetschten Fuß noch munter weitermachen, bevölkern sonst amerikanische TV-Dutzendware, der „Tatort“ aber lebt von den bodenständigen Typen. Aktuelle Bezüge, politische Korrektheiten, alles schön und gut. Doch die Dämonisierung der Schurken macht diese und damit die ganze Geschichte unglaubwürdig. Und berühmte Gaststars sind gar nicht notwendig, Flemming pur reicht – und natürlich ein gutes Drehbuch. Karl Wegmann

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