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■ StandbildWende nach vorn

„Zuschauer-Aquarien“, ab 1.00 Uhr, ORB

Fische müssen schwimmen, auch in der Nacht. Der ORB hatte seine Zuschauer aufgerufen, zu Hause ihre Aquarien abzufilmen. Letzte Woche wurden uns die ersten Amateur-Fischvideos im Fünfminutentakt präsentiert. Es war Nacht und auf den anderen Sendern waren wieder nur die Schafe, die Wellen, das Wetter, die Autos und die S-Bahnen zugange. Da ist ein Fisch schon was. Beispielsweise dieser große, lila Bollenfisch von Dirk und Kathrin W. aus Berlin. Der schwamm einfach nur seitlich an das Glas heran und machte genau das, was zu erwarten war. Er wendete sich nach vorn und war dann spindeldürr. Kein Wunder, daß der Fisch in den alten Religionen als ein Symbol des Todes und der Fruchtbarkeit galt. So auch dieser Bollenfisch. Mal dick, mal Strich. Ein Rundauge, wie so viele in diesen Nächten: kaum Knorpelfische und kein Knochenfisch.

Dazu wurde dann ein hektisches Orchesterwerk von Hector Berlioz eingespielt, das kaum an Schlaf denken ließ. Wahrscheinlich haben die Musikredakteure einfach nur das Radioprogramm dazugeschaltet. Weil sich zu Fischen, die in einem Aquarium herauf, herab und heran schwimmen, nur wenig komponieren läßt, wie das gemeine Vorurteil lautet.

Stimmt aber nicht. Denn diese Fische sind strukturell anders. Sie sind Vorboten, die uns zeigen, wie sauber wir unsere Aquarien aufräumen werden, wenn das interaktive Fernsehen kommt. Da schwimmt dann keine Scheiße auf dem Boden. Da wird kein von Knorpelfischen zerbissenes Rundauge zu sehen sein. Und ist das nicht auch gut?

Sicher, es gibt auch Rabauken. So wie der braune Olm in dem Aquarium von Uwe K. aus Falkensee. Der schwamm kurz mal raus aus seinem Farn und erschreckte uns sehr. Oder die fetten Heinis von Thomas W. aus Berlin, die bumsten gierig gegen die Futterflocken, die zu Boden sanken. Na und, so ist das Leben.

Und natürlich hätte man sich mehr Bauchbinden gewünscht. Die Namen und die Berufe der Fische zu nennen, hätte der Spannung keinen Abbruch getan. Und wir wollen (vielleicht) auch mehr davon. Eine Reihe über Kinder in Laufställen wäre nicht schlecht. Dann eine über Jugendliche in Pausenhöfen. Ein paar Tanzstunden vielleicht, ein Stammtisch noch und schließlich Nachbarn, die sich im Fernsehen Nachbarn ansehen, die fernsehen. Dann ist die Interaktion erreicht. Dann lassen wir die Chips freundlich knacken und die Gläser überschäumen. Und uns wird nicht mehr so weh sein müssen, ums Herz, wenn sie nachts die Fische zeigen. Blubb. Marcus Hertneck

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