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■ StandbildSchillernder Riesenkropf

„Lieber Turtel als Turbo“, Bemerkungen über die Taube, Mittwoch, ARD, 21.45 Uhr

Zerfledderte und verwahrloste Tauben in Kreuzberg, die mittels sozialhygienischer Maßnahmen bestandsmäßig reduziert werden sollen: „Die Taubenpille ist so groß, daß sie nicht aus Versehen von Meisen und anderen Singvögeln gefressen werden kann“, so ein Verantwortlicher.

Dekadente Geschöpfe mit schwarzblau schillerndem Riesenkropf und befiederten Füßen gurren um die Gunst der Züchter auf entsprechenden Vereinstreffen in Essen und Dortmund. Die Welt der Tauben als Spiegel der Menschenwelt. Dazwischen vergebliche Versuche, die irre Taubenfrau beim frühmorgendlichen Füttern mit der Kamera einzufangen.

Täglich um fünf kippt sie mehrere Kilo Getreidekörner auf Gehsteige und Grünflächen. Auch der Mann von der Parkbank äußert Verständnis. „Die Taube ist ein Lebewesen wie du und ich“, lallt er ins Mikro. Die Rentnerin, die mit eingegipstem Bein über das Trottoir humpelt, findet das gar nicht komisch: „Ausgerutscht – auf Taubenscheiße!“

Dann wieder das Gesundheitsamt, deren Mitarbeiter auf verwahrlostem Kreuzberger Dachböden durch ätzenden Taubenkot waten: „Bis zu acht Jahren kann eine Taubenzecke ohne Nahrung auskommen.“ Mit Nahrung gefüllt, ist diese Zeckenart etwa erbsengroß. Schnitt: Ein gepflegtes Pärchen im Feinschmeckerlokal zerteilt rosa Taubenbrust in portionsgroße Häppchen, und in Holland plant man gar aus wilden Stadttauben Pasteten herzustellen.

Ein Autofahrer klagt, daß der Kot der Tauben die Lacke zerstöre, und dann sind da noch die Skulpturen an den Fassaden alter Häuser, die nun allenthalben mit Maschendraht geschützt werden.

Tatsächlich hat das Filmteam auch einen Menschen gefunden, dem von einer Taube ins Gesicht geschissen wurde. Viel Wissenswertes war also zu erfahren. So bezeichnet der Taubenzüchter – es handelt sich fast ausschließlich um Männer zwischen fünfzig und siebzig Jahre – den nur Sekunden andauernden Koitus des Vogels als „treten“ und „getreten werden“.

„Mit mir turtelt sie lieber als mit ihrem Partner“, behauptet am Ende ein netter älterer Züchter und liebkost eine Taube, die sich tatsächlich aufgeregt in seiner Hand windet. Wolfgang Müller

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