piwik no script img

■ StandbildSchlagetot und House-DJ

„Im Kreuzfeuer“, Sonntag, 22.55 Uhr, RTL

Bloß nicht um den heißen Brei herumreden! Wer schwadroniert, wird mit Interviewboykott seitens RTL nicht unter drei Tagen bestraft! Peter Glotz und Heinz Klaus Mertes, die Moderatoren der neuen Talkshow „Im Kreuzfeuer“, haben die Gäste ihrer ersten Sendung offensichtlich entsprechend briefen lassen, und so rattern die Generalsekretäre von CDU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen ihre Statements zum Thema Machtwechsel in Bonn herunter wie ein Quizkandidat unter Zeitdruck.

Wer erwartet hatte, Glotz und Mertes würden einen auf Kienzle und Hauser machen, wird enttäuscht. Mertes dominiert erst einmal, kein Wunder angesichts seines Erfahrungsvorsprungs vor dem Sozialdemokraten. Der CSU-Freund suhlt sich in der Rolle des Schlagetots und grinst, daß man ins Grübeln gerät, ob man das Prinzip der Gewaltlosigkeit nicht noch einmal überdenken sollte. Doch Glotz merkt schnell, daß er sich ins Zeug legen muß, wenn er beweisen will, daß jemand, der Gedrucktes raushaut wie kaum ein anderer, durchaus infotainmentgerecht auf die Kacke hauen kann.

Sosehr hier auch aufs Tempo gedrückt wird: In Schwung kommt die Sendung nur, wenn sich Glotz und Mertes mit ihren Sesseln von den Gästen wegdrehen, um auf FORSA-Umfragenergebnisse einzugehen, die auf einer Großbildleinwand zu sehen sind. Wie oft sie diesen Dreh wohl geübt haben? Manchmal fühlt man sich in längst vergangene Zeiten zurückversetzt. So fordert Mertes von den Politikern, die soziale Marktwirtschaft in Frage zu stellen – als ob er die letzten Jahre als Eremit in Papua-Neuguinea gelebt hätte.

Daß es „Im Kreuzfeuer“ nicht allzu realistisch zugehen würde, war allerdings abzusehen. RTL hatte etwa Peter Glotz als „unbequemen Linken“ angepriesen – man hätte ihn genausogut als populären House-DJ bezeichnen können. Als wolle er solche Zuschreibungen jetzt ein für allemal vom Tisch fegen, votierte Glotz am Ende der Sendung vehement für eine Große Koalition. Aber vielleicht gilt das ja inzwischen als linke Position. René Martens

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen