■ Standbild: Astro-Klementine
„Talk X“, Mo.–Fr., 15 Uhr, Pro 7
Ich sehe eine nette, mollige Moderatorin an einem Lagerfeuer. Das Feuer brennt mitten in einem Fernsehstudio, drumherum sitzen Männer in Wollpullis und langweilen sich. Jetzt geht die Moderatorin zu einer Frau, die sagt, daß sie eine Hellseherin ist, das aber nicht beweisen kann. Jetzt kommen immer mehr falsche Hellseher, und ganz weit entfernt erkenne ich ein großes schwarzes Loch – nein, ich glaube, es ist ein großes Quotenloch, und es kommt genau auf Pro 7 zu...
Ja, so schnell kann das mitunter gehen: Eben noch „Talk X“ gesehen, schon wähnt man sich selbst im Besitz parapsychologischer Fähigkeiten. Denn soviel steht nach dem Start des täglichen Esoterik-Geplauders fest – eigentlich kann bei dem gegenwärtigen Gewese um Kolonien auf dem Mars jeder mitmischen. Z.B. die Hobbyhellseherin, die anhand eines Polaroidbildes erkannte, ob die Abgebildete aus dem Ausland kommt oder nicht. „Sie üben einen pädagogischen Beruf aus“, beschuldigte sie auf dem Höhepunkt ihrer spiritistischen Sitzung eine erschrockene Zuschauerin, nur weil die Nickelbrille und Halstuch trug. Als die vermeintliche Seherin eines Besseren belehrt wurde, deklarierte sie ihre Taschenspielerei kurzerhand in eine Art Berufsberatung um: „Ich gebe nur Anstöße.“
Was die eingeladenen Eso- Freaks der zum Staunen fest entschlossenen Moderatorin Andrea Kiewel so vorführten, erhob sich nur unwesentlich über das Niveau geselliger Heimabende mit dem Zauberkasten.
„Talk X“ ist der mißlungene Versuch, den Medienhype um Chris Carters Kultserie „Akte X“ ins Nachmittagsprogramm zu transferieren. Doch während im Vorspann noch standesgemäß düstere Pyramiden zu Alan Parsons rotierten, geriet der Rest zur völligen Entzauberung des Sujets. Als wolle einem die Ariel-Klementine plötzlich weißmachen, Buntwäsche würde nur dann wirklich rein, wenn man ein paar Tarot-Karten unter das Pulver mischt. Oliver Gehrs
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen