■ Standbild: Frühschoppencharme
„Karls Kneipe“, Freitag, 23.15 Uhr, RTL
Nur sechs („nur Sex ...? ...!!“ würde Karl Dall sagen) Folgen lang muß man Karl Dalls neueste Talkshow nicht anschauen. Das ist der ohnehin verreisten Zuschauerschar eigentlich durchaus zuzumuten.
Eben erst hat das ZDF mit „Holgers Tankstelle“ überdeutlich gezeigt, daß Sommerloch- Talk mit Prominenten eine ziemlich schlimme Sache sein kann, da glaubte sich RTL auch schon dazu berufen, den televisionären Talkstumpfsinn mit „Karls Kneipe“ noch überbieten zu können. Doch hatte man in Köln die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Denn quotenträchtig provozieren kann ein alternder Dall mit seinem Jazzfrühschoppencharme im gesichtslosen Jazzfrühschoppenambiente der „Kneipen-Kulisse“ niemanden mehr; schließlich sind seine (vermutlich tatsächlich frei improvisierten) Zoten und Kalauer so langweilig, als wäre jede Pointe zuvor 1.000mal probiert.
Aber Dall hält sich noch immer für das Enfant terrible, das er schon vor über zehn Jahren – als er mit „Dall-Ass“ im Tuttifrutti-TV eine neue Daseinsberechtigung fand – nicht mehr war. „Was ich mache, hat noch kein anderer so gemacht“, prahlte der 56jährige „Blödler“ noch jüngst im Stern. Und wenn doch, wäre die (TV-)Welt auch nicht besser, als sie ist. Daß Dall sich selber peinlich findet, macht ihn zwar weniger kritikanfällig, aber nicht weniger peinlich: Schließlich haben Witzeerzählen, Grimassenschneiden und Scherzartikelverschenken nicht nur kein Niveau, sondern auch keinen Esprit. In der Auftaktsendung fuhr der Gastgeber seinen Gästen (diesmal waren es Wigald Boning, Lisa Fitz und Hellmuth Karasek) beispielsweise einfach über den Mund, als sie ihn mühelos an Witzigkeit zu übertreffen drohten, und ließ sie Zuschauerzuschriften vorlesen. Ausgedachte natürlich: „Lieber Karl! Mit diesem Brief möchte ich meine Empörung über dich und deine sogenannten Witze zum Ausdruck bringen. Das, was du als Gags bezeichnest, ist nichts weiter als primitiver Stammtischhumor, der fernab von jeglicher Menschenwürde auf Kosten von Minderheiten gemacht wird. Du bist eine Schande für den ganzen Berufsstand. Dein Harald Schmidt“ – Wie sehr, lieber Karl, wie über alle Maßen würdest du dir wünschen, daß Schmidts Brief kein Witz wäre. Und, Karl, wie über alle Maßen unwahrscheinlich ist das. Dein Christoph Schultheis
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen