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Günter-Grass-Geburtstagsgrüße, Montag bis Donnerstag, ZDF, ARD, arte, B 1

Isabelle Bourgeois' Beitrag zur Jubiläumswoche für den „deutschen Dichter“ (Fritz J. Raddatz) Günter G. gab den Ton vor, der bis auf zwei Ausnahmen während der abgelaufenen Woche angeschlagen werden sollte, um den ewigen Nobelpreiskandidaten zu seinem 70. Geburtstag zu würdigen. Es war ein sakraler Ton, unterlegt mit devoten Fragen: Herr Grass, wie sehen Sie die Welt?

Wenn man bedenkt, daß Rolf Seelmann-Eggebert für seine Glamourberichte aus der Welt der Blaublütigen ständig Schelte einstecken muß, weil er die Objekte seiner Beschreibung offenbar mag, ist erst recht nicht zu verstehen, weshalb die Berichterstattung vom Hofe Grass' so weihevoll und servil ausfallen mußte. Das gilt im übrigen auch für die Dokumentation Jürgen Bevers und Ulrich Wickerts („Der Blechtrommler“): Da waren Sitte und Anstand en bloc versammelt – zum Gähnen wickertsch sozusagen.

Dieser Sound ist übrigens nicht dem Geehrten selbst anzulasten. Der gab Bourgeois und Bevern öfters Vorlagen („In Deutschland versteht man die Geburtstage seiner Repräsentanten nur schwermütig zu feiern, leider“), aber sie wurden von ihnen nicht genutzt. Nur auf B 1 traute man sich, mit Grass anders umzuspringen. In Wilfried Hauks „Und kein bißchen leise“, aber auch in Norbert Krons „Der Blechtrommler und Berlin“ wurde nachfühlbar, in welcher Zeit Grass seine größten Erfolge feierte. Da war er sichtbar, der charmant-rauhe Exhibitionist, der Grob- und Feinschmecker. Da wurde er endlich privat gefragt, was er von den Frauen hält – sehr viel. Und kam heraus, daß er überhaupt eine Frau hat. Plötzlich schien es, als könnte einem Grass ohne hohen Ton sympathisch werden. JaF

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