■ Standbild: Kamingeplauder
„Nachtstudio“, Mi., 0.45 Uhr, ZDF
Um Mitternacht darf es gemütlich werden. Auch im Fernsehen. Im ZDF-„Nachtstudio“ mit seinem anheimelnden, falschen Kaminfeuer und der rustikalen Wohnzimmeratmosphäre mit Bücherecke mag so mancher Spätzapper hängenbleiben. Kluges Geplauder in gediegener Runde trägt ihn möglicherweise entspannt in den Schlaf. Ob Gentechnik oder Esoterik, das „Nachtstudio“ strebt Tiefgang an ohne exhibitionistische Aufgeregtheit und Selbstverliebtheit. Hier geht es zur Sache. In der Nacht auf Donnerstag drehte es sich um „die Leseart der Seele – Freud und die Folgen“.
Psychoanalytikern Ilse Grubrich-Simitis, der Literaturwissenschaftler Ludger Lütkehaus und der amerikanische Freud-Biograph Peter Gay bezogen Stellung zur Psychoanlyse, gefragt von Moderator Volker Panzer. Der fragte nach einer Einordnung Freuds – „Moses, Gründervater, Patriarch“ – und was von ihm bleibt – „Hilfe für die kranke Seele, anachronistischer Theoretiker, Prophet“.
Da sich die Runde in ihrer Fürsprache für die Psychoanalyse einig war, blieb allein dem Moderator die Rolle des Kitzlers. Panzer fragte die populären Einwände gegen die Psychoanalyse ab: Ist die Traumdeutung mit ihrer phallischen Symbolträchtigkeit nicht banal? Wie steht es um Ödipuskomplex und Penisneid? War Freud, der seitenlang über Witze schrieb, eigentlich witzig?
Freud-Kenner mußten sich am trivialen Allgemeinwissen über die Seelenkunde abarbeiten. Zum Glück. Denn so verlor sich das Gespräch nicht im Expertentum, sondern versuchte bodenständig eine Standortbestimmung der Psychoanalyse.
Man war sich einig, daß die Psychoanalyse bei den aktuellen Sparmaßnahmen durch die Kassen immer mehr zum Privileg wird. Auch darüber, daß in Zeiten der Beschleunigung die Langsamkeit und Langwierigkeit einer Analyse nicht mehr zum Zeitgeist paßt. Der Amerikaner Peter Gay sah das mit pragmatischem Optimismus: Schon Freud habe in seinem „Abriß der Psychoanalyse“ die Möglichkeit eines Medikaments gegen Seelenkrankheit angedacht, wie die Pille gegen Potenzschwäche. Eine postfreudianische Vision und das Ende harter Seelenarbeit?
Jedenfalls ein anregendes Geplauder. Ein Schlaglicht auf den inneren Kontinent zu traumschwerer Zeit. Edith Kresta
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen