piwik no script img

■ StandbildOliver Twist im Staatsdienst

„Verkaufte Unschuld – Der Killer vom Kinderstrich“, Di., 20.15 Uhr, Sat.1

Es gibt Menschen, die haben wirklich schon alles erlebt. Auch Thomas Kopper (Hannes Jaenicke) ist so einer. Jahrelang ist er selbst Gossenjunge gewesen. Bulle war er auch schon, doch davon erzählt er nur, um Straßenkinder sanft in die simple Dialektik naturbegabter Pädagogen („Es gibt auch nette Bullen. Ich war selber mal einer“) einzuführen. Kopper empfiehlt: „Man sollte sich die sogenannten Säulen der Gesellschaft aus der Hundeperspektive anschauen. Dann sucht man sich die Schönste aus und pißt drauf.“

Eine dieser Säulen liegt vor ihm. Der Verschiedene ist der Juwelenhändler Nussbaum, ein stadtbekannter Wohltäter und skrupelloser Geldwäscher. Der Strichjunge Toaster hat ihm bei Sexspielen die Luft abgedreht. Doch unser Staatsanwalt kennt sich aus, weiß, daß nicht „diese Kinder kriminell sind, sondern die, die sie aufziehen und vernachlässigen“. Die Kamera ist ob solcher Sozialromantik ganz aus dem Häuschen, dreht sich um ihren Propheten und hüpft von Achsensprung zu Achsensprung. Und weil des Leben gemein ist und der Tod nicht gerechter, muß unser Mann in trüben Stunden an Miles Davis denken. Schließlich gibt es da noch diesen Sozialarbeiter mit den fetttriefenden Haaren. Der schickt seine Sprößlinge, wie Toaster, auf den Strich und tut Strychnin ins Heroin. Als die Verbindung zwischen Großkapital und Kinderprostitution aufgedeckt, alles überraschungsfrei abgespult ist, darf der wackere Kopper am Ritual der Straßenkinder teilnehmen und mit ihnen auf einen Altpapierberg springen. Die Weihe zum Oliver Twist im Staatsdienst. Aber das kennt er sicher auch von früher. Birgit Glombitza

Lesen gegen das Patriarchat

Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen