piwik no script img

■ StandbildHartgesottene Projektionen

„Rosenzweigs Freiheit“, Mi., 20.30 Uhr, ARD

Inspiriert von Klischees wurde keines ausgelassen: Der jüdische Anwalt bändigt die Locken mit Brillantine wie Michel Friedman. Die Glatzen sind kahl, wie rechte Jungs sie eben tragen. Die jüdische Mutter spricht Jiddisch wie zu Anfang des Jahrhunderts. Der sächsische Staatsanwalt sammelt Bierseidel, will vertuschen. Die Richterin trägt ihre graumelierte Löwenmähne wie Lea Rosh. – In einen Wust von Projektionen montierte Liliane Targownik die Geschichte des Brandanschlags im Asylbewerberheim von (Hoyers-) Falkenwerda.

Allein dieser Handlungsstrang hätte anderthalb Stunden Film getragen: brennende Häuser, vom Mob verfolgte Menschen, eine hartnäckige Neonaziszene, die den Mord an ihrem Führer dem unschuldigen, aber strohdummen Geliebten einer Asylbewerberin in die Schuhe schiebt. Doch Targownik klickte weitere Projektionen an: Der Beschuldigte ist der kleine Bruder des jüdischen Anwalts. Doch im Verlauf der Geschichte stempelt ihn der Staatsanwalt zum mutmaßlichen Mittäter, weil der Anwalt „privat“ in der Neonaziszene recherchierte: „Vielleicht als Grundlage für eine politische Karriere.“

Politisch präsentierte sich der Film als planloser Streifzug durch die vergangenen 60 Jahre deutsche Geschichte. Seine Botschaft: Alles hängt mit allem zusammen, die Opfer der Shoah gelten als Täter im neuen Deutschland. Targownik reiste auf grausamen Vergangenheiten, menschenfeindlicher Wirklichkeit und einschnappenden Reflexen.

Dabei ist ihr die Geschichte selbst schon übermächtig geraten. Nur mittelmäßig mit einer Collage filmischer Mittel zusammengehalten: Die Gerichtsszenen ließ sie schräg ausleuchten als tagte das verstaubte Fernsehgericht. Originalfilmschnipsel der Beerdigung des Neonazis Rainer Sonntag in Dresden vertonte sie auf ihre Geschichte. Außerdem versteht sie sich auch auf komödiantische Einlagen und weiß ein Happy-End zu inszenieren. Fünf Minuten vor Filmende tanzt die jüdische Mischpoke herzlich- schön eine Hochzeit. Ein paar Straßenecken weiter schmeißen die Neonazis bereits die nächsten Molotowcocktails. Die Wohnung der jüdischen Mutter steht in Flammen, aus dem Sideboard kullern Kinderschuhe. Die letzte Erinnerung an ein Kind ihres Mannes aus erster Ehe. Es wurde von den Nazis ermordet. Die Shoah geht in Flammen auf. Annette Rogalla

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen